Ende September 2020 unternahm Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den tollkühnen Versuch, Medien von der Springer-Presse bis zum kleinen YouTuber mit Abmahnungen zu überziehen, soweit diese auch nur durch Verlinkung auf den „Business Insider“, der die korrekte Summe nannte, den Kaufpreis seiner Villa in Dahlem erwähnten. Etwas über 4.125 Millionen Euro sind es gewesen. Ein von uns vertretener YouTuber erhielt nach der Abmahnung eine anwaltliche Rechnung von über 3000,00 Euro. Ein bißchen übertrieben. Jetzt entschied, was nicht sooo überraschend kommt, das OLG Hamburg (7 U 16/21) gegen Spahn. Der Tagesspiegel berichtet:
„Spahn müsse es wegen seiner „überragenden Bekanntheit als einer der profiliertesten deutschen Politiker hinnehmen“, wenn über seine privaten Vermögensverhältnisse berichtet werde. Es sei für die politische Meinungsbildung von „ganz erheblichem Interesse“, wie Volksvertreter ihren Lebensunterhalt bestritten und wie sie finanziell situiert seien. Dies könne Rückschlüsse „auf ihre politische Unabhängigkeit, auf ihren Geschäftssinn, aber auch auf ihre politische Ausrichtung ermöglichen“.
Ich möchte mich nicht lange damit aufhalten darüber zu sinnieren, ob Spahn klug beraten war, in dieser wackeligen Sache (es gibt einen jedenfalls Presserechtlern bekannten Präzedenzfall zu ähnlich mißlungenen Bestrebungen von Joschka Fischer, auf den wir Spahn sogar hingewiesen haben) flächendeckend und imageschädigend vorzugehen, noch mehr Aufmerksamkeit auf den bemerkenswerten Kauf zu lenken und ob diese schwerwiegenden Mängel seines Urteilsvermögens auf Rückschlüsse zulassen auf seine Geeignetheit für ein Ministeramt. Ich möchte nur, mit freundlicher Genehmigung einer Mandantin, aus unserem Schreiben an die anwaltlichen Vertreter von Jens Spahn zitieren, das wir diesen im September 2020 zukommen liessen. Darin sind die Kostenrisiken von nur einigen der von unserem Gesundheitsminister angestrengten Verfahren bei deren vollständiger Durchführung aufgeführt. Man kann sich ein Bild machen, was Spahn jetzt zu zahlen haben wird. In unserem Schreiben heisst es:
Da wir gerade bei den Kosten sind. Dem Vernehmen nach ist es Ihnen gelungen, gegen Publikationen aus dem Hause Springer zwei vorläufige Unterlassungsbeschlüsse beim LG Hamburg zu erwirken. Diese wurden mit Streitwerten von € 80.000,00 bzw. € 100.000,00 erlassen.
Sicherlich haben Sie Ihren Mandanten, dem Sie dieses Schreiben ja auch vorlegen müssen, über die allein mit diesen Prozessen verbundenen Kostenrisiken aufgeklärt. Es mag noch RTL dazu kommen und wer weiß was Sie sonst noch angezettelt haben. Und das alles bei nicht auszuschließenden Prozeßniederlagen angesichts der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung vom 19.05.2009.
Also, wie teuer kann der Spaß wegen aus unserer Sicht faktisch belangloser Petitessen für Ihren Mandanten werden, wenn es schief geht?
Das Kostenrisiko nur für das Eilverfahren mit einem Streitwert von € 80.000,00 sieht so aus:
Kostenrisiko – 80.000,00 Streitwert
|
Gerichtliche Vertretung | |||
1. Instanz | 2. Instanz | ||
Streitwert | 80.000,00 € | Streitwert | 80.000,00 € |
Vergleichsmehrwert | 0,00 € | Vergleichsmehrwert | 0,00 € |
Eigene Anwaltskosten | Eigene Anwaltskosten | ||
Verfahrensgebühr 3100 VV RVG 1,3 | 1.732,90 € | 3200 VV RVG 1,6 | 2.132,80 € |
anrechenbare gem. Vorbem. 3 IV VV RVG | 0,00 € | gem. Vorbem. 3 IV VV RVG | 0,00 € |
Terminsgebühr 3104 VV RVG 1,2 | 1.599,60 € | 3202 VV RVG 1,2 | 1.599,60 € |
Auslagen 7001, 7002 VV RVG | 20,00 € | 7001, 7002 VV RVG | 20,00 € |
sonstige Kosten 7000, 7003 ff VV RVG | 0,00 € | 7000, 7003 ff VV RVG | 0,00 € |
Umsatzsteuer 7008 VV RVG | 536,40 € | 7008 VV RVG | 600,38 € |
Summe | 3.888,90 € | Summe | 4.352,78 € |
Gegnerische Anwaltskosten | Gegnerische Anwaltskosten | ||
Verfahrensgebühr 3100 VV RVG 1,3 | 1.732,90 € | 3200 VV RVG 1,6 | 2.132,80 € |
Terminsgebühr 3104 VV RVG 1,2 | 1.599,60 € | 3202 VV RVG 1,2 | 1.599,60 € |
Auslagen 7001, 7002 VV RVG | 20,00 € | 7001, 7002 VV RVG | 20,00 € |
sonstige Kosten 7000, 7003 ff VV RVG | 0,00 € | 7000, 7003 ff VV RVG | 0,00 € |
Umsatzsteuer 7008 VV RVG | 536,40 € | 7008 VV RVG | 600,38 € |
Summe | 3.888,90 € | Summe | 4.352,78 € |
Gerichtskosten | 2.358,00 € | Gerichtskosten | 3.144,00 € |
Kostenrisiko 1. Instanz | 10.135,80 € | Kostenrisiko 2. Instanz | 11.849,56 € |
Gesamtkostenrisiko | 10.135,80 € | Gesamtkostenrisiko | 21.985,36 € |
Bei Eilverfahren und Hauptsacheverfahren kommt man so immerhin schon auf stattliche € 43.970,72 Prozesskostenrisiko.
Dann ist da noch das Verfahren mit einem Streitwert von € 100.000,00. Das Kostenrisiko nur für das Eilverfahren mit einem Streitwert von € 100.000,00 sieht so aus:
Kostenrisiko – 100.000,00 Streitwert
|
Gerichtliche Vertretung | |||
1. Instanz | 2. Instanz | ||
Streitwert | 100.000,00 € | Streitwert | 100.000,00 € |
Vergleichsmehrwert | 0,00 € | Vergleichsmehrwert | 0,00 € |
Eigene Anwaltskosten | Eigene Anwaltskosten | ||
Verfahrensgebühr 3100 VV RVG 1,3 | 1.953,90 € | 3200 VV RVG 1,6 | 2.404,80 € |
anrechenbare gem. Vorbem. 3 IV VV RVG | 0,00 € | gem. Vorbem. 3 IV VV RVG | 0,00 € |
Terminsgebühr 3104 VV RVG 1,2 | 1.803,60 € | 3202 VV RVG 1,2 | 1.803,60 € |
Auslagen 7001, 7002 VV RVG | 20,00 € | 7001, 7002 VV RVG | 20,00 € |
sonstige Kosten 7000, 7003 ff VV RVG | 0,00 € | 7000, 7003 ff VV RVG | 0,00 € |
Umsatzsteuer 7008 VV RVG | 604,40 € | 7008 VV RVG | 676,54 € |
Summe | 4.381,90 € | Summe | 4.904,94 € |
Gegnerische Anwaltskosten | Gegnerische Anwaltskosten | ||
Verfahrensgebühr 3100 VV RVG 1,3 | 1.953,90 € | 3200 VV RVG 1,6 | 2.404,80 € |
Terminsgebühr 3104 VV RVG 1,2 | 1.803,60 € | 3202 VV RVG 1,2 | 1.803,60 € |
Auslagen 7001, 7002 VV RVG | 20,00 € | 7001, 7002 VV RVG | 20,00 € |
sonstige Kosten 7000, 7003 ff VV RVG | 0,00 € | 7000, 7003 ff VV RVG | 0,00 € |
Umsatzsteuer 7008 VV RVG | 604,40 € | 7008 VV RVG | 676,54 € |
Summe | 4.381,90 € | Summe | 4.904,94 € |
Gerichtskosten | 3.078,00 € | Gerichtskosten | 4.104,00 € |
Kostenrisiko 1. Instanz | 11.841,80 € | Kostenrisiko 2. Instanz | 13.913,88 € |
Gesamtkostenrisiko | 11.841,80 € | Gesamtkostenrisiko | 25.755,68 € |
Bei Eilverfahren und Hauptsacheverfahren kommt man so immerhin schon auf stattliche € 51511,36 Prozesskostenrisiko.
Allein das Risiko der beiden Verfahren gegen die Springer-Gruppe beträgt mithin € 95.482,08.
Unsere Mandantin findet dies so interessant, dass Sie darüber einen launigen Artikel veröffentlichen wird. Und da Sie vermutlich wissen, dass der Schlußsatz in Ihrem Schreiben, wonach dessen Inhalte nicht veröffentlicht werden dürfen, Rechtsunsinn ist, werden wir Ihnen als tüchtigem Streiter der Zunft vielleicht sogar eine kleine Nebenrolle einräumen.
Tja, hätte Jens Spahn doch besser auf unseren freundlichen Rat gehört. Er steht jetzt ziemlich…., ach, lassen wir das. Er hat es ja schon schwer genug.
Joachim Nikolaus Steinhöfel 2021
Ein kleines „ot“ am Rande:
Merke:
Je „höher“ die Kasper,
desto umfangreicher die Mitarbeiter/Programme/Datensätze,
auf dass man alles und jeden zusch….,
auf dass er seine Nase erst gar nicht in die Sch… steckt/in die Sch… zu stecken erwägt.
A, des hört jo garnimmie uff:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.html
servus,
so wie der drauf ist, wird sich der Steuermichl dafür krumm(m)machen
„Jens Spahn“
Jetzat hawwensen gfiggt.
In den 90ern war Steinhöfel bei RTL Nord in einer Anruf-Talkshow zu sehen, ziemlich unangenehm. Für die Anrufer.
Aber heute ist es für die Gegenseite schlimmer. Aber in diesem Fall mehr als befriedigend.
Danke für die 90er, danke für diese Einsicht – auch wenn es ekelig ist.
Könnte mir vorstellen, dass das finanzielle Prozessrisiko für Spahn letztlich irgendwie von den Steuerzahlern getragen wird!?
Herrlich zu lesen. 😄
Aber es läßt angesichts der Zahlen auch Zweifel an meinem Entschluß aufkommen, mich auf das Strafrecht zu konzentrieren. 😄