Rundfunkrat Erdogan

Nur ein paar Tage nachdem Bundeskanzlerin Merkel die Sicherung der europäischen Aussengrenzen an das autoritäre türkische Regime outgesourct hat, erregt sich Regierungschef Erdogan über einen mässig unterhaltsamen Beitrag der Sendung „extra 3“, die der öffentlich-rechtliche NDR ausstrahlt. Der Beitrag adaptiert den Song einer deutschen Schlagersängerin und kritisiert Erdogans problematisches Verhältnis zu Pressefreiheit, Gleichberechtigung und anderen Menschenrechten.

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Als Folge der Ausstrahlung wurde der deutsche Botschafter einbestellt, da der Beitrag „den Präsidenten herabsetze“. Vielerorts kann man nun in den Medien Bemerkungen wie diese von „Spiegel online“ lesen:

„Der Vorgang sagt einiges aus über das türkische Verständnis von Pressefreiheit: Offensichtlich glaubt die Regierung, ein deutscher Botschafter könnte Einfluss nehmen auf die Programmgestaltung eines Fernsehsenders. Denn nur dann wäre er in diesem Fall die richtige Adresse für Kritik.“

Möglicherweise hat Erdogan aber einfach nur erkannt, dass er in seiner jetzt für Europa äusserst wichtigen Position, in die ihn Merkel gehievt hat, weitaus mehr Einfluss auch auf die öffentlich-rechtliche Berichterstattung nehmen kann, als uns die Altmedien Glauben machen wollen. Die politische Klasse hat enorme Möglichkeiten die Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Anstalten in ihrem Sinne zu bestimmen. Und natürlich wird sie diese  im Rahmen einer Staats- und Verfassungs (Flüchtlings-)krise auch nutzen. Oder glaubt jemand im Ernst, Merkel wird nicht alle Hebel in Bewegung setzen, um den Amokläufer vom Bosporus zu beschwichtigen? Und sei es mit ein paar informellen Anrufen bei den Intendanten? Das türkische Verständnis der Freiheit der Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien ist tatsächlich sehr realitätsnah. Und durch Merkels schmutzigen Deal mit dem Regime gibt es jetzt einen Rundfunkrat mehr: Recep Tayyip Erdogan.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2016

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Kommentare

  1. max

    Jetzt regen se sich mal nicht so auf: Wenn Herr Erdogan schon das Bundesamt für Migration und der Bundesgrenzschutz ist, wieso sollte er nicht auch Rundfunkrat sein?

  2. Reinhard Wehpunkt

    Das was absehbar war, tritt nun ein: Erdogan treibt Merkel-Deutschland vor sich her und nutzt deren Schwäche gnadenlos aus bis hin zur Einmischung in die letzte kleine Rundfunksendung.

    Realpolitik pur – wir erleben den Anfang der Abrechnung eines klugen Machtpolitikers mit einer völlig verlogenen Politik, die von dem Illusionsbedürfnis einer dekadenten Bevölkerung getragen ist.

    Mutti ist da nur das Mittel zum Zweck, sie tanzt bedingungslos den Erdogan, solange es ihrer eigenen Position nützt.