Beim Deutschlandfunk wird ungeprüft als bare Münze dargestellt und berichtet und nachgeplappert, was irgendjemand irgendwo behauptet hat. Journalistische Standards: Null, nada, zero. Das gibt’s von dort jetzt sogar schriftlich. Es geht um zwei Denunzianten und Antisemiten, die Twitter vorführen wollen und im DLF ein williges Sprachrohr fanden.
Deutschlandfunk Nova hat kürzlich die wichtige Frage aufgeworfen, ob es „nen Typen, der gerade Milliarden verbrannt hat, überhaupt interessiert“, wenn gegen ihn „ein Bußgeld in zweistelliger Millionenhöhe verhängt wird“. Die Rede ist von Elon Musk und Twitter und einem umstrittenen Verfahren, das das Bundesamt für Justiz mit Hilfe des europarechts- und verfassungswidrigen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes begonnen hat.
Nach Auffassung der Beamten und ihrer mit niederen Beweggründen agierenden Zulieferer löscht Twitter nicht genug und nicht schnell genug. Und offenbar wollte man in Bonn, wo die Behörde sitzt, selbst die unterlassene Löschung solcher Inhalte ahnden, die gerichtlich gebilligt wurden. Darauf deutet ein Akteneinsichtsgesuch der Bürokraten hin. Das Verfahren ist noch ganz am Anfang, und Twitter hatte noch nicht einmal rechtliches Gehör.
Das allein aber konnte Deutschlandfunk Nova nicht davon abhalten, schon jetzt Erklärungen zur Höhe eines allenfalls am Ende eines solchen Verfahrens stehenden Bußgeldes abzugeben. Am 18. April 2023 erschien bei dem gebührenfinanzierten Sender der Text „Verfahren gegen Twitter: Zwei Nutzer leisten Behördenarbeit“, dazu wurde die „Netzreporterin“ des Senders, eine Martina Schulte, interviewt. Der Text und das Interview werfen eine solche Fülle von Fragen hinsichtlich journalistischer Mindeststandards, der Arbeitsweise und der Sorgfalt des Senders und seiner Mitarbeiter*innen (keine Angst, ich mach‘ nur Spaß) auf, dass ich eine Presseanfrage an den Sender gerichtet habe, die hier mit der Antwort veröffentlicht werden soll.
Presseanfrage an den Deutschlandfunk vom 20.04.2023:
Am 18.04.2023 haben Sie den Bericht „Verfahren gegen Twitter: Zwei Nutzer leisten Behördenarbeit“ veröffentlicht. Sie nehmen in dem Text und ebenso in der abrufbaren Audio-Datei auf zwei Twitter-Nutzer Bezug, die Sie als die entscheidenden Hinweisgeber für das vom Bundesamt für Justiz eingeleitete Verfahren bezeichnen.
Gestatten Sie mir dazu eine Reihe von Fragen, die ich zur einfacheren Unterscheidung von Einschüben nummeriere und kursiv wiedergebe.
1. Hatte Frau Schulte persönlich Kontakt mit einem oder beiden der in dem Beitrag genannten Twitter-Nutzer?
2. Wenn zu 1. verneinend, wie viele und welche Quellen (hier genügt mir selbstverständlich eine abstrakte Antwort wie „Informant“ oder (konkreter) „Artikel in…“) haben Sie für die ohne Quellenangabe aufgestellte Behauptung: „Bisher ist über die beiden nur bekannt, dass er als Landesbediensteter und sie als Einkäuferin in einem kleinen Unternehmen arbeitet.“ Im Audio-Beitrag behauptet sie, man wisse dies. Haben Sie belastbare Quellen und können Sie aus eigener Recherche bestätigen, dass diese Angaben wahr sind? Wenn nein, woher weiß „man“ dann, dass diese Behauptung zutrifft.
3. Liegen Ihnen Erkenntnisse dazu vor, ob die beiden Nutzer (angeblich Einkäuferin in den 20igern und ein Landesbediensteter) irgendwelche juristischen Kenntnisse haben, die diese zu einer rechtlichen Einschätzung der gemeldeten Inhalte qualifizieren?
4. In dem Audio-Beitrag behaupten Sie, die beiden Nutzer hätten „über Monate hinweg Hate- und Fake-Inhalte an Twitter gemeldet“. Auf welcher Faktengrundlage beruht die Zeitangabe?
5. Sie behaupten in dem Audio-Beitrag, die beiden Nutzer hätten Inhalte wie „üble Nachrede, Bedrohung, Volksverhetzung“ gemeldet. Woher wissen Sie das? Wie viele der gemeldeten Inhalte konnten Sie persönlich einsehen? Haben Sie, falls eine Einsicht erfolgt sein sollte, überprüft, ob die rechtlichen Einschätzungen der Einkäuferin und des Landesbediensteten tragfähig sind?
6. Sie behaupten in dem Audio-Beitrag, die beiden Nutzer hätten 340 Fälle an das BfJ gemeldet. Woher stammt Ihre Kenntnis von der Anzahl der Meldungen?
7. Sie behaupten in dem Audio-Beitrag, die in #5 genannten Fälle würden die Grundlage des Vorgehens des BfJ bilden. Woher wissen Sie das?
8. Haben Sie bezüglich der in #6 erwähnten Behauptung eine Bestätigung des BfJ angefragt und/oder erhalten? Wenn nein, warum nicht?
Auf die Frage des Moderators nach der Motivation der beiden Nutzer antwortet Frau Schulte, die beiden hätten angegeben, sie wollten das „Internet wieder etwas menschenfreundlicher machen“, im Text liest man „Ihre Motivation sei es, sich dafür einzusetzen, dass es weniger Hass und Hetze im Netz gibt.“ In der Pressemitteilung des BfJ zu dem von dort eingeleiteten Verfahren erfährt man über die dorthin gemeldeten Tweets: „Alle Inhalte enthalten ähnlich gelagerte, nicht gerechtfertigte, ehrverletzende Meinungsäußerungen, die sich sämtlich gegen dieselbe Person richten.“ Unterstreichung ergänzt.
9. Ist Ihnen bekannt, um welche – einfach zu ermittelnde – Person es sich dabei handelt? Wenn nein, haben Sie hierzu recherchiert? Wenn nein, warum nicht?
10. Genügt es Ihrer Einschätzung nach der journalistischen Sorgfaltspflicht, eine angebliche Motivation angeblich hundertfacher Meldungen von Tweets durch zwei Nutzer, „die sich sämtlich gegen dieselbe Person richten“, als lauteren Kampf gegen „Hass und Hetze“ ungeprüft zu verbreiten?
11. Ist Ihnen bekannt, dass die „Welt“ eines der Profile, die Sie als „Hate Ranger“ darstellen, als antisemitisch konnotiert eingeordnet hat?
Im Text heißt es: „Social-Media-Plattformen wie Twitter sind dazu verpflichtet, Beiträge, die Falschnachrichten enthalten, zu überprüfen, wenn sie gemeldet werden“, im Audio-Beitrag ist die Rede davon, dass Twitter nach NetzDG verpflichtet sei, auch „Fake Posts“ oder „Falschnachrichten“ innerhalb der im Gesetz genannten Fristen zu löschen.
12. In § 1 Abs. 3 NetzDG sind die rechtswidrigen Inhalte iSd Gesetzes abschließend aufgelistet. Aus welcher der dort aufgeführten Vorschriften – oder woraus sonst – soll sich die Verpflichtung zum Löschen von „Fake Posts“ oder „Falschnachrichten“, die Sie in Ihrem Beitrag behaupten, ergeben?
Antwort des Pressesprechers des Deutschlandfunks vom 21.04.2023
Sehr geehrter Herr Steinhöfel,
Sie haben zu unserem publizierten Audio und Onlineartikel „Verfahren gegen Twitter: Zwei Nutzer leisten Behördenarbeit“ vom 18. April 2023 Rückfragen zu unseren Quellen und Recherchen gestellt.
Im Artikel und im Audio erwähnen wir eine der verwendeten Quellen. Wir sind nicht verpflichtet offenzulegen, welche weiteren Quellen und Recherchen unserer Publikation zugrunde liegen, und werden dies mit Blick auf die Grundsätze der Vertraulichkeit journalistisch-redaktioneller Arbeit auch nicht tun.
Zu Ihrer Frage, ob die beiden Twitter-Nutzer juristische Kenntnisse haben, die diese zu einer rechtlichen Einschätzung der gemeldeten Inhalte qualifizieren – dies haben wir nicht behauptet. Meldungen dieser Art sind nicht nur dann statthaft, wenn juristische Kenntnisse nachgewiesen werden. Auch eine Strafanzeige kann jede beliebige Person erstatten, nicht nur Juristinnen und Juristen.
Wir haben den Hörerinnen und Hörern kein rechtliches Prüfergebnis vorgestellt, sondern gesagt, dass es sich um Inhalte handelt, die die beiden Twitter-Nutzer als üble Nachrede usw. ansehen. Das steht ihnen zu.
Wir bedanken uns für Ihren Hinweis auf die Berichterstattung in der „Welt“, der wir entnehmen, dass Sie sich auch bereits mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben.
Mit freundlichen Grüßen
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Na, was soll er auch antworten, der arme Mann. Und da man nicht mit der Elefantenbüchse auf einen angeschickerten Maulwurf anlegt, der einen Eierlikör über den Durst getrunken hat, unterbleibt hier eine Kommentierung, die nur zu dem ernüchternden Befund führen würde, dass beim DLF ungeprüft als bare Münze dargestellt und berichtet und nachgeplappert wird, was irgendjemand irgendwo behauptet hat.
Als kollegiale Hilfe für den Sender und seine „Netzreporterin“ zitiere ich „Ziffer 2 – Sorgfalt“ des Pressekodex, empfehle das Nachlesen und weise höchst vorsorglich darauf hin, dass damit natürlich nicht die Behauptung aufgestellt werden soll, es sei vom Deutschlandfunk nur gegen diese und nicht auch noch gegen andere Regeln verstoßen worden:
„Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.“