Wie man die Pressefreiheit gegen die Verteidiger der Pressefreiheit verteidigen muss

Wenn Justizminister Maas Recht hat, hat er Recht. Am „Tag der Pressefreiheit“ postet er auf seiner Facebook-Seite dies:

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Ich unterschreibe jedes Wort! Nun sehen viele Bürger, Verbände und auch Politiker der Koalition die Aktivitäten des Justizminister im Zusammenhang mit dem geplanten „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ durchaus kritisch. Ich hatte nahezu zeitgleich einen Videokommentar zu diesem Thema produziert, den ich mit folgendem Kommentar unter das Posting von Heiko Maas einstellte:

Sehe ich genauso. Und weil der kritische Journalismus auch in der BRD unter Beschuss gerät, habe ich mir dazu, ganz im Sinne unseres Justizministers – und insb. dessen gesetzlicher Vorhaben – ein paar Gedanken gemacht.

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Was dann geschah, ergibt sich aus meiner Anfrage an die Pressestelle des Bundesjustizministeriums, die dort am 05.05.2017 um 09:10 Uhr einging:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin Autor der „Achse des Guten“, „Tichys Einblick“, „The European“, Gastautor von „stern.de“ usw.

Herr Minister Maas hat am 03.05.2017 um 11:20 Uhr ein Posting zum „Tag der Pressefreiheit“ veröffentlicht.

Ich habe unter diesem Posting folgenden Kommentar geschrieben: “ Sehe ich genauso. Und weil der kritische Journalismus auch in der BRD unter Beschuss gerät, habe ich mir dazu, ganz im Sinne unseres Justizministers – und insb. dessen gesetzlicher Vorhaben – ein paar Gedanken gemacht.“ Und dazu diesen Link mit einem Video-Kommentar zum geplanten „NetzwerkdurchsetzungsG“ verlinkt: ‪https://www.youtube.com/watch?v=-b1qhsXXm9E.

Der Kommentar war kurze Zeit später der „Top-Kommentar“, dann wurde er gelöscht. Facebook bietet die Funktion an, den Kommentar dergestalt zu entfernen, dass er für den Kommentierenden und dessen Freunde sichtbar bleibt, für alle anderen aber nicht. Diese Funktion wurde, wie eine Recherche zweifelsfrei ergeben hat, gewählt. Mein Kommentar befasst sich – im Video – kritisch mit dem „NetzwerkdurchsetzungsG“, ist jedoch in keiner Weise justiziabel. Ich bin seit ca. 25 Jahren als Anwalt mit auch presserechtlichem Schwerpunkt tätig und traue mir daher diese Einschätzung zu. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir im Laufe des Tages, möglichst bis zum frühen nachmittag, die nachstehenden Fragen beantworten könnten.

1. Warum wurde der Kommentar in der beschriebenen Weise gelöscht?

2. Sieht der Minister keinen Widerspruch in dieser Löschung einer kritischen Stimme, während er sich im Ausgangsposting als Verfechter der bedrohten Pressefreiheit und des kritischen Journalismus positioniert?

3. Wird der Minister die Löschung rückgängig machen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, darf ich mit einer Entschuldigung rechnen?

4. Die Facebook-„Währung“ sind Likes. Mein Kommentar ist trotz der Manipulation der Top-Kommentar. Die Zahl der Likes wäre deutlich höher, wenn der Kommentar nicht, ausser für meine „Freunde“ gelöscht worden wäre, sondern der gesamten Öffentlichkeit zugänglich. Damit ist der durch Likes dokumentierte Zuspruch manipuliert und die Leser der Seite werden über den Zuspruch getäuscht. Einen möglichen Hinweis auf diesen „redaktionellen Eingriff“ zur Vermeidung dieser Täuschung haben Sie unterlassen. Wie rechtfertigen Sie dies?“

Knapp zweieinhalb Stunden später meldete sich Herr Scholz aus der Pressestelle des Justizministeriums. Er bestätige den Sachverhalt. Es lasse sich aber „nicht mehr nachvollziehen“, wie es zu der Sperrung des Kommentars gekommen sei. Der Kommentar sei jetzt wieder für alle sichtbar freigeschaltet. Das Ministerium lösche nur Beiträge, die gegen die eigene Netiquette verstießen. Dies sei bei dem in Rede stehenden Beitrag nicht der Fall. Man bitte um Entschuldigung.

Was das Ministerium nicht mehr nachzuvollziehen vermag, dürfte sich so abgespielt haben: Der Redaktion der Facebook-Seite von Heiko Maas gefiel der „kritische Journalismus“ nicht, weil er sich gegen den eigenen Dienstherren richtete. Anstatt dies im Interesse der Meinungsfreiheit, die der Minister soeben pries, zu ertragen, wurde die perfide Löschmöglichkeit von Facebook genutzt, mit der man Löschen kann, ohne das der Kommentator dies sogleich merkt. Als sich dann ein shitstorm abzeichnete, ruderte man zurück. Wie wir sehen, hatte Justizminister Maas mit seinem Posting völlig Recht. „Die Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss erkämpft, verteidigt und geschützt werden.“ Schade nur, dass das auch gegenüber denjenigen gilt, die sie zu verteidigen eigentlich berufen sind.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2017

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Kommentare

  1. Meister

    Der selbstgerechte Herr H. M. ist nur einer von zahllosen Beispielbonzen, die uns tagtäglich suggerieren möchten, was der sogenanne freie Bürger denken, glauben + wählen darf. Wir müssen konstatieren, dass die Macht der Presse längst in den Händen der herrschenden Politklasse zur kümmerlichen Kleingeistigkeit verkommen ist. Ist es da verwunderlich, dass das Internet ein Dorn im Fleisch der Meinungsmacher ist? NEIN ! Deshalb bitte mehr Verständnis für den wehrhaften Demagogen.

  2. Hanebüchen

    Danke, Joachim, für diesen Beitrag. Besonders gut finde ich den Hinweis auf die im Grundgesetz verankerte Gewaltenteilung. Die Beurteilung, ob eine Aussage strafbar ist oder nicht, ist nach diesem Prinzip den Gerichten vorbehalten. Und das aus gutem Grund. Denn zum Beispiel beim Straftatbestand der Volksverhetzung muss geprüft werden, ob das zu schützende Rechtsgut, der öffentliche Frieden, gestört wird. Viele Aussagen in irgendwelchen Internetforen dürften einfach einen zu geringen Einfluss haben, als dass man eine Störung des öffentlichen Friedens erwarten kann.

    Wenn Heiko Maas in seinem Gesetz festlegt, dass eine Prüfung der Strafbarkeit verpflichtend durch Betreiber von Internetplattformen zu erfolgen hat und ansonsten Sanktionen ausgesprochen werden, wird das Prinzip der Gewaltenteilung ausgehebelt. Es bestehen daher tatsächlich erhebliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit.

    Das wäre eigentlich eine Bewährungsprobe für unseren hochgelobten neuen Bundespräsidenten. Er könnte die Unterzeichnung des Gesetzes verweigern und das Bundesverfassungsgericht anrufen. Indes wird Steinmeier wohl kaum seinen Kollegen Maas in Schwierigkeiten bringen.

  3. Rainer Wittmann

    Es ist falsch, daß die Pressefreiheit „erkämpft“ werden muß. Richtig ist, daß die Pressefreiheit – und auch die Meinungsfreiheit – durch das Grundgesetz nicht gewährleistet werden und deshalb(!!!) „erkämpft“ werden müssen. Wenn wir eine Regelung im Grundgesetz hätten, die klar und unmißverständlich solche Verhaltensweisen wie die im Artikel geschilderte ausschließen würde, brauchte die Pressefreiheit nicht „erkämpft“ zu werden; haben wir aber nicht, deshalb müssen wir kämpfen.

  4. Wutbürger

    Dieser Herr im Ministersessel hat wohl von seinem Parteikollegen den Auftrag bekommen, alles zu tun, um die politischen Gegner rechtzeitig vor der Wahl im Herbst zum Schweigen zu bringen. Und es dabei mit dem Recht nicht so genau zu nehmen. Wie seine Chefin eben. Die Aufforderung an die Wähler kann nur heissen: schmeisst diese Leute im Herbst aus den Sesseln!

  5. Onkel Dapte

    Ich empfinde dieses Löschverhalten nur noch als widerlich. Traurig ist, daß nur ganz wenige Menschen von diesem und vielen anderen Versuchen, schleichend aus dem Land eine Diktatur zu machen, erfahren. Diejenigen, die hier überhaupt lesen, müssen nicht mehr aufgeklärt werden.
    Bitte nicht vergessen: Das repressive System der Meinungsunterdrückung und -verfälschung ist erst im Aufbau. Und Herr Steinhöfel ist zu prominent, als daß man sich hätte erlauben können, nicht klein beizugeben. Wäre das auch Herrn Mustermann so ergangen? Wie lange dauert es noch, bis Herr Steinhöfel zum Mustermann wird?

  6. Hans Deutsch

    Kritischer Journalismus muss natürlich die „richtigen Dinge“ kritisieren…
    Falls wirklich Methode hinter dieser Vorgehensweise steckt(siehe Kommentar Thomas Liebig), dann wäre dies schlimm für unsere Gesellschaft. Eine öffentliche Untersuchung dieser Praktiken sollte erfolgen. Vielleicht (hoffentlich) sind da nur kleine Karrieristen und Schleimer am Werk die in vorauseilendem Gehorsam im Sinne Ihres Vorgesetzten agieren.

  7. Diese Methode, einen Kommentar zu löschen ohne dass der Kommentator es merkt (der Kommentar bleibt nur für den Ersteller sichtbar) nutzen auch Angela Merkel und die Bundesregierung in ihren Facebook-Seiten. Gelebte linke Meinungsfreiheit, darin ähneln sich CDU und SPD wie eineiige Zwillinge.

  8. Rainer Sturm

    Da hat wohl der Minister ein Eigentor geschossen!
    Peinlicher geht’s nimmer.
    Typisch SPD!

  9. Gabi

    Das machen die auf der Seite von Merkel und der Bundesregierung (Facebook) schon seit Jahren so.