Das Meinungsfreiheitsgesetz – Ein Gegenentwurf zu Heiko Maas

An diesem Freitag steht das von Justizminister Maas geschaffene „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ auf der Tagesordnung des Bundestages (19.05.2017, TOP 38). Das Gesetz ist eine 30seitige, verfassungs- und europarechtswidrige juristische Totgeburt. Es verstößt gegen Art. 3, 5 und 12 GG (Gleichheitsgebot, Meinungsfreiheit, Berufsfreiheit). Hinzu kommt, dass das Gesetz überflüssig ist. Hier unser Gegenentwurf.

Für den Kampf gegen strafbare und zivilrechtlich unzulässige Inhalte im Netz genügen die Gesetze, die wir haben.

Der Kampf lässt sich mit einer hinreichend ausgestatteten Justiz ohne weiteres erfolgreich führen.

Es bedarf der drastischen Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bevölkerung und der drohenden automatisierten Massenvernichtung freier Rede nicht.

Ich habe mich gestern 30 Minunten hingesetzt, und einen alternativen Gesetzesentwurf für ein Meinungsfreiheitsgesetz (MfG) fertiggestellt, den ich nachstehend veröffentliche und hier kurz erläutern will. Was in einer halben Stunde schafft, sollte ein Ministerium in ein paar Monaten auch bewerkstelligen können.

Die massiven Entgleisungen in den sozialen Netzwerken sind eine Tatsache. Sie sind zu ahnden, wenn sie bestehende straf- oder zivilrechtliche Vorschriften verletzen. Niemand muss sich beleidigen lassen, keine freie Gesellschaft sollte Volksverhetzung ein Forum geben. Dies lässt sich aber alles ohne die drastischen Eingriffe in Freiheitsrechte bewerkstelligen, die Maas’ Gesetz vorsieht.

Schon nach geltendem Recht haftet jedes soziale Netzwerk ab Kenntnis für die dort befindlichen Inhalte. Und zwar sowohl zivil- als auch strafrechtlich. Löscht das Netzwerk nach Beschwerde einen zB beleidigenden Inhalt nicht, kann man Facebook ebenso verklagen, wie die Bild-Zeitung. Die Strafverfolgungsbehörden können gegen die verantwortlichen Personen vorgehen, wenn strafbare Inhalte nicht entfernt werden. Aber anstatt die Justiz entsprechend auszustatten, damit sowohl schnelle zivilrechtliche Abhilfe, als auch strafrechtliche Ahndung erfolgt, verlagert der Justizminister diese hoheitliche Aufgabe unter Verletzung verfassungsrechtlicher Vorgaben und der Gewaltenteilung an einen privates, durch drohende Sanktionen von bis zu € 50 Millionen maximal eingeschüchtertes Privatunternehmen. Eine Vorschrift, die den von zu Unrecht erfolgten Löschungen oder Profilsperrungen Betroffenen eine Handhabe gibt, ist in dem Entwurf nicht vorgesehen. Es geht besser. Nämlich so.

Entwurf von Joachim Steinhöfel

Gesetz zur Gewährleistung freier Rede und Einhaltung straf- und zivilrechtlicher Vorschriften in den sozialen Netzwerken (Meinungsfreiheitsgesetz – MfG)

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz gilt für soziale Netzwerke. Dies sind Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht im Inland Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

§ 2 Inländischer Zustellungsbevollmächtigter

Anbieter sozialer Netzwerke haben für Zustellungen in Deutschland in ihrem Impressum einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen.

§ 3 Haftung für rechtswidrige Inhalte Dritter

Anbieter sozialer Netzwerke haften auch für von Dritten eingestellte rechtswidrige Inhalte, wenn sie diese nach Kenntnis nicht unverzüglich entfernen.

§ 4 Haftung für Löschungen und Sperrungen

(1) Anbieter sozialer Netzwerke können auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie Inhalte Dritter entfernen, deren Veröffentlichung nicht gegen deutsches Recht verstößt.

(2) Anbieter sozialer Netzwerke können auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn sie Profile Dritter löschen oder befristet sperren, soweit der betroffene Dritte deutsches Recht nicht verletzt hat.

(3) Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 gelten dann nicht, wenn der betroffene Dritte die AGB (Gemeinschaftsregeln) des sozialen Netzwerks verletzt hat und die AGB ihrerseits rechtmäßig sind. Dies gilt dann nicht, wenn das soziale Netzwerk eine marktbeherrschende Stellung hat.

§ 5 Bagatellklausel

Die Ansprüche aus § 3 MfG können nur dann geltend gemacht werden, wenn die rechtswidrigen Inhalte geeignet sind, die Interessen des Betroffenen spürbar zu beeinträchtigen.

§ 6 Gerichtsstand

Für Klagen aufgrund dieses Gesetzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

§ 7 Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tag der Verkündung in Kraft.

(2) Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird mit Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgehoben. Alle etwa aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Entscheidungen sind gegenstandslos.

Einige Worte zur Erläuterung:

§ 2: Eine Zustelladresse im Inland ist deshalb wichtig, weil deren Fehlen zu dramatischen Verzögerungen der Verfahren führt.

§ 3 ist im Prinzip redundant, weil sich dies bereits aus dem Telemediengesetz ergibt. Dennoch gehört diese Klarstellung hierher.

§ 4 Abs. 1 gewährt eine klare Handhabe gegen Eingriffe der sozialen Netzwerke in das grundrechtlich verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung durch das Entfernen rechtmässiger Inhalte. In der Begründung zu dem Gesetz von Maas heißt es zwar: „„Niemand muss hinnehmen, dass seine legitimen Äußerungen aus sozialen Netzwerken entfernt werden.“ Sein Entwurf schafft aber keine entsprechende Regelung. Dem helfen wir mit § 4 Abs. 1 ab. Abs. 2 begründet einen Anspruch auf Schadensersatz bei befristeter Sperrung oder gar Löschung von Profilen, wenn der Nutzer deutsches Recht nicht verletzt hat. Abs. 3 räumt den sozialen Netzwerken einen gewissen Ermessenspielraum ein, was sich auf den Plattformen abspielen darf. So darf ein Portal der Dackelfreunde durchaus jemanden sperren oder löschen, wenn er ständig Vandalismus betriebe und seine Lieblingskatzenfotos veröffentlicht oder Texte zur veganen Esoterik. Allerdings soll dies dann nicht gelten, wenn das soziale Netzwerk, und dies würde zB für Facebook gelten, eine marktbeherrschende Stellung hat und nicht zB auf bestimmte Interessen- oder Themenbereiche beschränkt ist.

§ 5 soll in geringem Maße den etwas anderen Kommunikationsformen im Netz Rechnung tragen. Nicht jede im Eifer des Gefechts gemachte Äußerung soll justiziabel sein um so einer Sinflut von Abmahnungen und Gerichtsverfahren vorzubeugen. Wann eine „spürbare Beeinträchtigung“ vorliegt, soll der Entscheidungshoheit der Gerichte überlassen bleiben.

Herr Maas, gerne hören wir von Ihnen, warum sie unseren Entwurf nicht übernehmen und ihr Gesetz fallen lassen.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2017

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Kommentare

  1. Heinz Stiller

    Sehr geehrter Herr Steinhöfel, als Nicht-Jurist bin ich vollkommen fassungslos über das, was da vor unseren Augen geschieht. Ich habe längst die Hoffnung aufgegeben, dass das deutsche Verfassungsgericht oder irgendein EU-Gericht diesen antidemokratischen Wahnsinn stoppen wird. Ich hoffe nur noch auf Hilfe von aussen.
    Bitte gestatten Sie mir dazu ein paar (wahrscheinlich naive) Fragen, von denen ich mir aber vorstellen könnte, dass auch bei anderen Nicht-Juristen darüber Unklarheit besteht. Vielleicht wollen Sie ja einige davon beantworten.
    Was für ein Rechtssubjekt (sagt man so?) ist Facebook (Youtube, etc.) denn eigentlich? Die Frage zielt darauf ab, ob die deutsche Regierung denn überhaupt ein nicht-deutsches Unternehmen (dies scheinen die betroffenen ja zu sein) zwingen kann, offensichtlich die Meinungsfreiheit in seinem Verantwortungsbereich zu beschneiden?
    Und wie will oder kann der deutsche Staat denn seine Sanktionen gg. Facebook etc. durchsetzen? Pfändung? Abschaltung bei Non-Compliance? Geht das technisch überhaupt?
    Gefängnisstrafen für die Verantwortlichen?
    Könnte die amerikanische Regierung nicht geltend machen, dass ein US-Unternehmen mittels rechtlich zweifelhafter Mittel geschädigt wird?
    Ich spreche von rechtlich zweifelhaft, weil sich doch z.B. sogar in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (z.B. §8, 10 und 11) ganz offenbar Regelungen finden, mit denen der Maas-Entwurf mir als Laien nicht vereinbar erscheint.
    Dürfte man auch mit amerikanischen Zeitungen in Deutschland so verfahren?
    Wie soll das in der Praxis aussehen? Das ist mir nicht vorstellbar.

  2. Gilbert von Luck

    Meinungsfreie Gesellschaft hurra!

    Das mit der Meinungsfreiheit
    ich hatte es ernst genommen
    und war überzeugt und begeistert
    ergriffen durchströmt vom Glauben
    ans hohe Ideal

    Doch als ich sie nutzte
    die Meinungsfreiheit
    erfuhr ich
    sie missbraucht zu haben:
    zum Verbreiten der eigenen Meinung

    In der Gesellschaft
    herrscht Meinungsfreiheit
    Bleifreiheit herrscht in bleifreiem Benzin
    Es gibt keinen Alkohol
    in alkoholfreiem Bier

    (alle Rechte bei Gilbert von Luck)

  3. Lindwurm

    Die CDU/CSU-Fraktion hält das Durchwinken im Bundestag erst mal auf und verlangt Nachbesserungen sowie ausreichend Zeit zur Prüfung und Beratung. Das NetzDG muss nach Ansicht der Fraktion substantiell verbessert werden, um gesamtgesellschaftliche Anerkennung zu finden. Wohl auch ein Ergebnis der hier zu findenden Öffentlichkeitsarbeit. Danke dafür Herr Steinhöfel!

  4. Dieter schilling

    Wenn ich ,Dieter Schilling , Bundeskanzler von Deutschland bin,werden Sie,Herr Steinhöfel,mein Justizminister.
    Auf bald
    Dieter S.

  5. Gabriel Van Helsing

    Ich musste den Regierungsentwurf mehrmals durchlesen.
    Bis ich ihn so einigermaßen verstanden hatte.
    Gespickt ist er mit „Denglisch“ und wohl für den Bürger nicht oder schwer zu lesen. Ich sage nur eins dazu, Grauenhaft.
    Ich dachte immer in Deutschland wird deutsch gesprochen und auch geschrieben. Der Olle Duden würde sich im Grab umdrehen, wenn er das lesen würde.

    Aber auch die Ökos bevorzugen wie man in ihren Antrag lesen kann,
    Denglisch.

  6. Sven Jan Arndt

    Also grundsätzlich finde ich den Ansatz wesentlich besser als den Zensurentwurf von Maas. Folgendes gebe ich zu Bedenken:
    ad 1) warum nur Anbieter mit Gewinnerzielungsabsicht? Es gibt genug kostenlose (auch ohne Werbung) Diskussionsforen, die ja auch Teil von der Regelung sein sollten.
    ad 2) para 3 spricht von Rechtswidrigkeit – den Begriff hatten Sie ja selbst in Ihrer Rede relaitiviert. Gehen sie davon aus, dass die rechtlichen Konsequenzen in Ihrem Entwurf mangels konkreter Pönale entspannter vom Betreiber gesehen werden und damit nicht sofort alles gelöscht wird!? Dies wäre ja wünschenswert. Ggf. wäre eine kostenlose Informationsstelle für Betreiber sinnvoll an die diese Zweifelsfälle einreichen und eine verbindliche Auskunft erhalten können (rechtswidrig, strafrechtlich relevant, unbedenklich etc.)
    Nur meine ersten Ideen.

  7. Meier

    Wozu dagegen? Schutz der Wohnung gibt es ja auch nicht. Ich hatte hier die Freude mit dem Verwaltungsgericht zum Thema „Schornsteinfeger“, Richter: Natürlich ist es „schwierig“ *hüstel*, Gesetz ist Gesetz. Jeder Heizungsbauer kann mehr, muss den aber in die Wohnung lassen und alle 2 Jahre um die 100 € für 10 Minuten bezahlten. Bei Gasheizungen gibt es nicht zu gucken und vor CO kann man sicher 1000 mal besser mit Elektronik schützen. ZÄHLT alles nicht. Karlsruhe ist unwillig und im Zweifel unbezahlbar.
    Hier gibt es nur noch Lobby Politik, Maas ist halt Staatsinteresse Machterhalt.

  8. RA Hechler

    Eine Regelung wie § 2 wäre grundsätzlich und unabhängig von diesem Gesetz Gold wert. Die Zustellungen gegen Google, Yelp und Facebook im Ausland sind eine Zumutung.