Gurrendes Brabbeln mit erotischen Untertönen

Die WELT stand für einen Moment still, als Präsident Obama in der „Tonight Show“ von Jimmy Fallon auftrat und dort seine „Regierungsbilanz“ (Jobs, Schwulenehe, Krankenversicherung) „geslowjammt“ hat. „Slowjammen“, lässt uns der stellvertretende Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, Ulf Poschardt, wissen, sei ein „gurrendes Brabbeln mit erotischen Untertönen“. Und diese erotischen Untertöne stimulierten Poschardt offenbar zu seiner „Hymnenminiatur“ auf seinen „liebsten US-Präsidenten“. Und eine Miniatur ist es tatsächlich geworden: sprachlich, intellektuell, stilistisch und vom Urteilsvermögen her.

Obamas Auftritt beweise, so Poschardt, Amerika sei das „land of the free“, in dem „jeder es ganz nach oben schaffen“ könne. Und als ob die Platitüdensättigung nicht schon jetzt für drei Artikel reicht, schiebt der Autor später sicherheitshalber nach, viele Amerikaner seien ja auch „gerne übergewichtig“. Die gehören aber nicht zu den „urbanen Eliten“ oder „aufgeklärten Modernisten des Landes“, die Obama schätzen.

„Politik ist auch Show, aber wie sehr sie im Performativen Kunst, ja popkulturelle Avantgarde sein kann, das zeigt der siebenminütige Sprechgesang des US-Präsidenten.“

Wo ist die Schlussredaktion, wenn jemand derart Halbverdautes erbricht?

Dass der Sozialarbeiter aus Chicago es überhaupt ins Weiße Haus geschafft hat, sei nicht dessen Werk allein, „Bands wie Run DMC und Public Enemy haben einen bezaubernden, die Welt verführenden Präsidenten wie Obama erst möglich gemacht. Genau so, wie die ‚Dead Kennedys‘ damals mit ‚Too Drunk to Fuck‘ die Vorarbeit für die Präsidentschaft von George W. Bush geleistet hatten.“ Ok, den letzten Satz habe ich dazu gedichtet.

Das kommt dabei heraus, wenn man Weltpolitik aus der Perspektive eines Lifestyle-Autors analysiert. Dieser Blickwinkel mag auch mit dafür verantwortlich sein, das Poschardt es als Leistung Obamas erachtet, den geständigen Messerstecher und Crack-Dealer Jay Z. als Gast im Weißen Haus salonfähig gemacht zu haben.

Oder scheinbar wirklich daran glaubt, dass Obama, „der mit zweitem Vornamen Hussein heißt und afrikanische Wurzeln hat, die gängigen Vorurteile gegen den Westen und die USA zerstört hat“.

Poschardt kann in seinem eigenen Blatt oder bei renommierten Meinungsforschungsinstituten nachlesen, dass das Unfug ist. Die Beliebtheitswerte der USA haben während der Präsidentschaft Obamas, teilweise ganz erheblich, gelitten.

Poschardts Lieblingspräsident hinterlässt eine zutiefst gespaltene Nation, ist für die schlechteste wirtschaftliche Erholung seit dem 2. Weltkrieg verantwortlich, und hat durch seine irrlichternde Außenpolitik die Welt destabilisiert (Nur stichwortartig: Russland in der Krim und der Ukraine, Chinas zunehmende Aggression im südchinesischen Meer, Iran auf dem Weg zur Atombombe, IS, Bürgerkrieg und Flüchtlingskrise in Syrien).

Da kann es einem schon die Sprache verschlagen, wenn der amtierende US-Präsident vor diesem Hintergrund seine geschönte Bilanz in einer Talk-Show vom Teleprompter „gurrend brabbelt“.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2016

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Kommentare

  1. el gordo

    Und: Obama war niemals Sozialarbeiter, in dem Sinne, wie man das Wort gemeinhin versteht. Ein „community organizer“ ist ein politischer Aktivist, ein Lobbyist und Redenhalter. Obama ist nie bei armen Familien ein und aus gegangen.