Durch die Mordserie der nazistischen Terrorgruppe aus Zwickau sind bundesweit acht Türken und ein Grieche getötet worden. Erstes Opfer war im September 2000 ein türkischer Blumenhändler aus dem hessischen Schlüchtern. 2001 ereignete sich der nächste Anschlag in Nürnberg. Noch im selben Jahr folgten Morde in Hamburg und München. 2004 war Rostock Tatort, später Dortmund und Kassel. Rassismus und Fremdenhass waren die Motive der Täter, deren einzig richtige Entscheidung im Leben es war, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen. (Nur) Insoweit haben Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos für ihre Gesinnungsgenossen durchaus Vorbildfunktion.
Die Mordserie hat ein Versagen des Staates und seiner Behörden selbst im Bereich ihrer Kernkompetenz, der Gewährleistung von Sicherheit für die Bevölkerung, schonungslos offen gelegt. Dies wurde andernorts bereits hinreichend dokumentiert. Wenn man vor wenigen Tagen weiter erfuhr, dass eine vollständige „Aufarbeitung“ der Versäumnisse laut Verfassungsschutz-Chef Fromm nicht mehr möglich sei und dies offenbar auch daran liege, dass wichtige Akten vernichtet wurden, ist dies nur ein weiterer Anlaß dafür, die Fähigkeiten des paternalistischen Staates realistisch einzuschätzen. Im übrigen: Muss nicht selbst ein kleiner Gemüsehändler seine Buchhaltungs- und Steuerunterlagen für mindestens 10 Jahre aufbewahren?
Neben dieses kollektive Versagen der bereits aufgrund ihrer föderalen Struktur zum Scheitern verurteilten Behörden und Dienste tritt eine politisch inszenierte Betroffenheit, die für die Opfer anderer, vergleichbarer Straftaten schwer zu ertragen sein muss. Die Angehörigen der Opfer verdienen jede Anteilnahme, jedes Mitgefühl und vielleicht sogar finanzielle Kompensation, sieht man eine jedenfalls aufgrund des Versagens der staatlichen Institutionen begründete Mitverantwortung der Bundesrepublik als gegeben an.
Erstmals gab es eine gemeinsame Erklärung sämtlicher im Bundestag vertretenen Parteien, der die CDU und die Linkspartei zustimmten. Es folgte eine Debatte über die Mordserie, verschiedene Forderungen nach Untersuchungsausschüssen, ein Empfang der Familien der Angehörigen durch den Bundespräsidenten und man durfte sogar Empfehlungen des türkischen Staatschefs Erdogan, eines grossen Befürworters rechtsstaatlicher Verhältnisse, zur Kenntnis nehmen, sich bei der „Aufarbeitung“ doch an der Türkei zu orientieren.
Mittlerweile ist ein Streit zwischen Bundespräsident Wulff und Bundestagspräsident Lammert ausgebrochen. Wulff möchte eine Gedenkstunde im Parlament, Lammert hielt die Bundestagsdebatte in der vergangenen Woche bereits für ausreichend. Auch für die Opfer des RAF-Terrors oder für in Afghanistan gefallene Soldaten habe es keine Gedenkfeier im Parlament gegeben. Natürlich hat Lammert Recht.
Was aktuell aus dem Ruder läuft, sind die Maßstäbe für die Anteilnahme an schweren und schwersten Straftaten. Am Leid der Opfer oder von deren Angehörigen. Offenbar ist das Motiv der Täter für das Ausmaß des Mitgefühls in unserer Öffentlichkeit das entscheidende Kriterium. Es scheint wichtiger, als die Verwerflichkeit der Tat oder das Leiden oder die Anzahl der Opfer. Die brutalen Morde der Neonazi-Gruppe haben besonders in der türkischen Gemeinde in Deutschland, aber auch in der Türkei für Entsetzen gesorgt, ist den Medien zu entnehmen. Dafür habe ich jedes Verständnis. Kein Verständnis habe ich für die Tatsache, dass man vergleichbare Verlautbarungen der selben Gemeinde angesichts der weitaus größeren Zahl der Opfer von Ehrenmorden im eigenen Milieu vergeblich sucht. Deren Opfer sind auch Ausländer, Muslime, häufig Türkinnen und sie werden aus ebenso niederen Motiven hingemetzelt wie die Opfer, die jetzt so nachhaltig beklagt werden.
Bundesinnenminister Friedrich war am 22.11.2011 im Deutschen Bundestag wie folgt zu vernehmen:
„Diese Morde sind nicht nur Angriffe auf einzelne Menschen, sondern ein Angriff auf unsere Gesellschaft, auf unsere freiheitliche Ordnung, auf unsere Demokratie. Ich denke, wir müssen deutlich machen, dass die Frage der Achtung der Würde des Menschen nicht nur eine staatliche Aufgabe, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, vor der wir nun gemeinsam stehen. Für Extremismus, für politische Gewalt und für Fremdenfeindlichkeit darf in unserem Land kein Platz sein.“
Dem darf man gerne zustimmen und es im selben Atemzug auf die im islamofaschistischen Milieu angesiedelten Mörder von Fathia el Q. und ihre Leidensgenossinnen übertragen. Allein in 2011 gab es in Deutschland vierzehn – bekannt gewordene – Ehrenmorde, in 2009 dreissig. Irgendeine besondere Anteilnahme der sich jetzt öffentlich in Betroffenheitsgesten übertrumpfenden Repräsentanten unserer Parteien und unseres Staates sind mir nicht aufgefallen.
Während der „Ehrenmord“ in der islamischen Kultur durchaus verwurzelt ist, sind die „Morde der Zwickauer Terroristen für das politische Klima der Bundesrepublik so repräsentativ wie eine Giftnatter in einem Kuschelzoo“.
„Ich möchte, dass Menschen mit Migrationshintergrund keine Angst haben“, sagte der Bundesinnenminister am Donnerstag im ZDF. Er erwähnte nicht, daß die von Neonazis drohende Gefahr weit hinter die Gefahr zurücktritt, Opfer einer religiös-kulturell veranlassten Straftat aus dem eigenen Milieu zu werden.
Zwar geben sich die Parteien bei diesem politisierten Geheuchel nichts. Die Grünen wären allerdings nicht die Grünen, wenn sie nicht nach inflationärem Gebrauch der Floskel, die Behörden seien „auf dem rechten Auge blind“, vom Parteitag in Kiel geschlossen nach Gorleben aufgebrochen wären, um sich dort dem linken Mob, der schottert und Polizisten mit Pflastersteinen schwer zu verletzen trachtet, angeschlossen hätten. Und dank ihrer Grossen Vorsitzenden wissen wir nun auch, wer neben den Neonazis aus Zwickau eine wirkliche Gefahr für unser Gemeinwesen darstellt:
«Der Polizeieinsatz ist absolut überzogen. Er ist ein Anschlag auf die Demokratie»,
sagte Roth beim Bundesparteitag der Grünen am Sonntag in Kiel und beantwortete damit auch die Frage, in welchem rückwärtigen Körperteil sich ihr moralischer Kompass befindet.
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2011
„Kein Verständnis habe ich für die Tatsache, dass man vergleichbare Verlautbarungen der selben Gemeinde angesichts der weitaus größeren Zahl der Opfer von Ehrenmorden im eigenen Milieu vergeblich sucht. Deren Opfer sind auch Ausländer, Muslime, häufig Türkinnen und sie werden aus ebenso niederen Motiven hingemetzelt wie die Opfer, die jetzt so nachhaltig beklagt werden.“
Ich verstehe auch nicht ganz was das mit den Ehrenmorden soll. Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tuen. Es geht darum, dass hier 10 Mitbürger von zwei Serienmördern hingerichtet worden sind, und es hejt darum wie das passieren könnte. Ehrenmorde oder Gedenkfeiern spielen da keine Rolle. Es geht darum die Fehler aufzudecken, und wenn man mit Ehrenmorden kommt, lenkt man von der Frage ab, und nimmt Druck aus dem Kessel. Sicher ist jeder Mord abscheulich, aber das Menschen ermordet werden nur weil sie Schwarz oder Ausländer oder Schwul sind, ist schon bedonders verwerflich. Diese Ehrenmorde resultieren ja häufig auch Familienkonflikten. Außerdem,gibt es auch bei Deutschen „Ehrenmorde“ wie oft liest man dass der eifersüchtige Ex seine alte Freundin erwürgt ersticht oder erschießt.
komisch, cracker, ich dachte immer, die ehrenmorde würden durchgeführt, damit die islamische „hockultur“ nicht „durch fremden gene gefährdet“ würde, denn es geht doch darum, penibel darauf zu achten, dass sich kein weibliches Wesen selbst nen Sexualpartner sucht, und das ggf. im allerfrühesten Vorfeld (kein Kopftuch, Disco-Besuch, kennt männliche Wesen mit Vornamen) durch Mord zu verhindern, oder?
Wenn Sarrazin sich also wirklich um den Genpool gesorgt hätte, hätte er dann nicht allen Deutschen besser nen Übertritt zum Islam empfehlen müssen?
Gute Beschreibung der Situation. Leider darf ich in MV nicht so offen reden wie Sie hier. Gleich wird mobilisiert und ausgerenzt, was das Zeug hält.
Ich hab da mal eine Frage.
In den letzten Wochen lese ich immer etwas über die Zwickauer Zelle.
Was ist eine Zwickauer Zelle?
War dass der Kosename für den Trabi????
P. Böttcher
Da interesante an diesen fall ist dass während die ganze republik hysterisch unter jeden gartenstrauch nach moslemischen terroristen suchte und sarrazin uns weismachen wollte die deutscheh hockultur wäre durch fremden gene gefährdet, deutsche asoziale bundesweit munter moslems abschlachteten.
Das eine reativierende gegenrechnung mit ehrenmorde kommen mußte war zu erwarten, hätte ich aber eher aus der ecke Giordano/Broder erwartet.
Lieber Herr Steinhöfel,
keine Frage, kompetent und mutig haben Sie den Finger in die Wunden gelegt und das Problem beschrieben.
Wünschen würde ich mir von einem Kaliber wie Ihnen, nicht nur das Problem zu beschreiben, sondern Teil einer Lösung zu sein und wenn es nur ein Ansatz, ein erster Schritt, ein Mutmacher zu möglichen Handlungsoptionen wäre. Lassen Sie uns doch nicht in den Chor derer einstimmen die beklagen dass es in Berlin ist wie es ist. Dann können wir uns auch zurücklehnen und auf die nächsten Opfer warten.
Was können Werte orientierte Menschen in diesem Lande machen, um diese Ohnmacht aufzulösen (statt nach Gorleben zu pilgern oder mit Gedenkstunden das Gewissen zu beruhigen)?
Wenn ich es alleine wüsste, würde ich schon im Ring stehen. Sicher bin ich mir jedoch mittlerweile, wenn uns nichts einfällt wird sich nichts ändern.
Ich kann dem Kommentar von Joachim Steinhöfel nur zustimmen!
Welche Schlüsse soll ich nun aus diesem vortrefflichen Artikel ziehen?
Gibt es in Deutschland jetzt schlimme und weniger schlimme Morde?
Ist das noch steigerungsfähig zu schlimmen und gar nicht schlimmen Morden?
Hatten wir das nicht schon einmal vor einem dreiviertel Jahrhundert?
Wiederholt sich Geschichte doch, wenn auch vielleicht unter etwas anderen Vorzeichen?
Müssen klügere Leute jetzt vielleicht den Anfängen wehren?
Oder liegt es am Rotwein und ich sehe schon Gespenster?
Leben wir nicht in einer gefestigten Demokratie, in der das alles so unvorstellbar ist?
Sind wir denn nicht geläuterte Deutsche, die nicht einmal in ihren Albträumen auf die Idee kämen, Morde zu wägen?
Jetzt bin ich verwirrt.
Vielen Dank Herr Steinhöfel, Sie sprechen mir aus der Seele!
Ich zweifelte bereits an mir selbst, weil ich mich nicht im Stande mich fühlte, diese ganze Aufgeregtheit und das sich emotionale Überbieten in Betroffenheitsbekundungen ‚unserer‘ Politiker und eines Großteils der Presse auch nur im Ansatz nachvollziehen zu können, aufgrund auch der sonst in anderen vergleichbaren Fällen gezeigten Unaufgeregtheit bis Gleichgültigkeit.
Kann es bloß ein Zufall gewesen sein, dass sich ein Mitarbeiter des Verfassungsschutz bei einem der Nazi-Morde am Tatort aufhielt?
Natürlich kann es sein.
Aber selbstverständlich mussten die deutschen Ermittler diesen Umstand überprüfen (und werden der Spur an Hand der neuen Fakten auch weiter nachgehen).
Kann es bloß ein Zufall gewesen sein, dass sich am Tag des schlimmsten Terroranschlags der italienischen Geschichte ein deutscher Terrorist am Tatort aufhielt?
Natürlich kann es auch sein.
Aber selbstverständlich hätten auch die italienischen Ermittler diesen Umstand überprüfen müssen (statt erst nach 30 Jahren endlich Ermittlungen gegen den Carlos-Mann einzuleiten).
http://aron2201sperber.wordpress.com/2011/08/20/neue-ermittlungen-gegen-thomas-kram/
Hallo Joachim,
Kannst Du die Quelle für die 14 Ehrenmorede in 2011 und die 30 in 2009 hier angeben. Dann würde ich Deinen Kommentar gerne weiter verbreiten.
Anmerkung: Hier ist die auch im Text mehrfach zitierte Quelle: http://ehrenmord.de/doku/doku.php
Ein sehr (zu)treffender Kommentar!!!
Dem ist nichts hinzuzufuegen – Danke.