Als Timothy McVeigh 1995 ein Gebäude in Oklahoma City in die Luft jagte, kamen über 150 Menschen ums Leben. Ein Wahnsinniger beging Massenmord. Präsident Clinton, politisch unter Druck, machte Rush Limbaugh und das konservative talk radio für den Anschlag moralisch verantwortlich.
Kurz nach der deutlichen Niederlage der Demokraten bei den midterm-elections 2010 trat der Meinungsforscher Mark Penn im US-Fernsehen auf. Auf die Frage von Chris Matthews, was es brauche, damit Präsident Obama wieder Zugang zur Bevölkerung erhalte, erwiderte er: Einen Bombenanschlag wie in Oklahoma City.
Freitag in Tucson, Arizona, war es soweit. Ein nach aktuellem Faktenstand offenbar geistig verwirrter Jared Loughner erschiesst und verletzt eine Vielzahl von Menschen. Opfer sind u.a. ein 9jähriges Mädchen und die demokratische Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords. Ein Wahnsinniger begeht Massenmord. Die Schuldigen sind schnell gefunden.
Der örtliche Sheriff Clarence Dupnik (ein Demokrat),
„Wir sind zu einem Mekka des Hasses und der Vorurteile geworden“,
die New York Times,
„Akte der Gewalt geschehen, wenn ein Klima des Hasses geschaffen wird“ (wofür natürlich die Republikaner verantwortlich sind),
der „Spiegel“,
„Schüsse im Land der politischen Hassprediger“,
und diverse weitere Medien und Politiker machen die „vergiftete Streitkultur“, die „radikale Tea Party-Bewegung“, die Republikaner und Sarah Palin für den Mordanschlag moralisch mitverantwortlich. Die Tea Party sei gegen die Regierung, der Attentäter, dessen Lieblingsbücher „Mein Kampf“ und das „Kommunistische Manifest“ waren, auch. Keine Analogie ist banal und plump genug, wenn man unbedingt einen ideologischen Treffer landen will.
Palin, selbst ständig Opfer von entmenschlichenden Angriffen, wurde zur Last gelegt, auf ihrer Facebook-Seite politische Zielscheiben veröffentlicht zu haben, die die Bezirke von bei bevorstehenden Wahlen verwundbarer Demokraten zeigten.
Auch bei den Demokraten nichts Ungewöhnliches, wie diese Karte des Democratic Leadership Committee aus 2004 zeigt.
In Zusammenhang mit den Morden in Tucson war die gleichgeschaltete Medienmeute schnell mit ihrem Urteil über die moralisch Verantwortlichen zur Hand. Welch Unterschied zu den mahnenden Worten*, dem Aufruf zur Zurückhaltung in der causa Fort Hood. Man müsse von einer vorschnellen Verurteilung absehen. Das, nachdem bekannt war, dass der Islamist Nidal Hasan „Allahu Akhbar!“ schrie, als er 13 Menschen tötete und 30 weitere verletzte. Ein Einzeltäter, ein Verrückter, man dürfe nicht verallgemeinern oder die Muslime unter Generalverdacht stellen. Soviel Protektion kann die radikale Tea Party oder können die hasspredigenden Republikaner nicht erwarten.
Aus politischem Kalkül stellen erhebliche Teile der Medien und der Politik einen Zusammenhang zwischen ihrem politischen Gegner und dem grausamen Massenmord eines Verrückten her. Diese Unaufrichtigkeit ist abscheulich und verachtenswert. Das zutiefst traurige Schicksal einer Politikerin, eines 9-jährigen – toten – Mädchens und der anderen Opfer wird hier wieder einmal von denen (Demokraten, linke Blogger, die New York Times, der „Spiegel“ et al.), die stets die moralische Hoheit für sich in Anspruch nehmen, skrupellos in den Dienst ihrer Demagogie gestellt. Die Opfer sind ihnen gleichgültig. Der für den politischen Gegner empfundene Hass hat alles, jedes Maß, jeden Respekt vor den Opfern verdrängt.
Völlig zurecht ist nie jemand auf die Idee gekommen, Präsident Obama als Mittäter eines Mordanschlages zu bezichtigen, weil er in einer Wahlkampfrede in Philadelphia im Jahre 2008 als Reaktion auf mögliche politische Attacken der Republikaner ankündigte:
“If they bring a knife to the fight, we bring a gun”.
Der politische Diskurs wird sich nicht nach den Maßstäben eines Einzelgängers richten, der in eine geschlossene Anstalt gehört. Offenbar wollen das aber diejenigen, die von einem „Klima der Angst“ und ähnlichem phantasieren. Martialische Vokabeln (siehe das Zitat des aktuellen US-Präsidenten) sind seit langem fester Bestandteil der politischen Auseinandersetzung. Daran darf sich nichts ändern, nur weil es in unserer Welt auch Psychopathen gibt.
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2011
*Update 11.01.2011:
„It will be important to avoid drawing prejudicial conclusions from the fact that Major Hasan is an American Muslim whose parents came from the Middle East.“–NY Times editorial on Foot Hood massacre, Nov. 8, 2009
„It is legitimate to hold Republicans and particularly their most virulent supporters in the media responsible for the gale of anger.“–NY Times editorial on Tucson massacre, Jan. 10, 2011.
Update 2 11.01.2011:
George Will, Washington Post: „This McCarthyism of the left – devoid of intellectual content, unsupported by data – is a mental tic, not an idea but a tactic for avoiding engagement with ideas. It expresses limitless contempt for the American people, who have reciprocated by reducing liberalism to its current characteristics of electoral weakness and bad sociology.“
„On Sunday, the (New York) Times explained Tucson: ‚It is facile and mistaken to attribute this particular madman’s act directly to Republicans or Tea Party members. But . . .‘ The ‚directly‘ is priceless.“
Ich bin kein Verschwörungstheoretiker aber es gibt bei der Tea Party die Theorie einer sozialistischen Verschwörung, wenn ich mir die ideologische Färbung und die Einseitigkeit der Medienlandschaft ansehe und linksantisemitische Artikel über Ägypten auf Spiegel Online lese, fällt es schwer Argumente zu finden die dagegen sprechen, die verhalten sich tatsächlich wie die Medien des Warschauer Paktes, als ob alle im Gulag verschwunden wären, die etwas anderes als die allgemeingültige göttliche Idiotenmeinung mit ihren logischen Fehlern geschrieben hätten. Ich habe mal einen Blick in Tageszeitungen aus der DDR geworfen, man erkennt zum Spiegel tatsächlich keinen Unterschied in der fehlenden Meinungsvielfalt und der fehlenden Objektivität, die gleichen Gedankengänge beim schreiben.
@Leclaire: mein gott, wo nimmst du nur deine zeit her…
Der Respekt vor dem Inhaber und Betreiber seiner site verbietet, dass man die gebotene Plattform mißbraucht für seine Launen.
Ich hoffe deshalb, dass es auch in seinem Sinne ist, wenn ich angesichts dieser Repliken eine Vergleichbasis antbiete für ein Paradigma des Deutschen als Kultursprache.
Daher:
Einige paradigmatische Sätze in deutscher Sprache, hilfreich für die Normierung des Sprachniveaus.
Nur zum Spaß.
„Hier erklärt sich auch allererst das Rätsel der Kritik, wie man dem übersinnlichen Gebrauche der Kategorien in der Spekulation objektive Realität absprechen, und ihnen doch, in Ansehung der Objekte der reinen praktischen Vernunft, diese Realität zugestehen könne; denn vorher muß dieses notwendig inkonsequent aussehen, so lange man einen solchen praktischen Gebrauch nur dem Namen nach kennt; Wird man aber jetzt durch eine vollständige Zergliederung der letzteren inne, daß gedachte Realität hier gar auf keine theoretische Bestimmung der Kategorien und Erweiterung der Erkenntnis zum Übersinnlichen hinausgehe, sondern nur hierdurch gemeint sei, daß ihnen in dieser Beziehung überall ein Objekt zukomme; weil sie entweder in der notwendigen Willensbestimmung a priori enthalten, oder mit dem Gegenstande derselben unzertrennlich verbunden sind, so verschwindet jene Inkonsequenz; weil man einen
andern Gebrauch von jenen Begriffen macht, als spekulative Vernunft bedarf.
Dagegen eröffnet sich nun eine vorher kaum zu erwartende und sehr befriedigende Bestätigung der konsequenten Denkungsart der spekulativen Kritik darin, daß, da diese die Gegenstände der Erfahrung, als solche, und darunter selbst unser eigenes Subjekt, nur für Erscheinungen gelten zu lassen, ihnen aber gleichwohl Dinge an sich selbst zum Grunde zu legen, also nicht alles Übersinnliche für Erdichtung und dessen Begriff für leer an Inhalt zu halten, einschärfte: praktische Vernunft jetzt für sich selbst, und ohne mit der spekulativen Verabredung getroffen zu haben, einem übersinnlichen Gegenstande der Kategorie der Kausalität, nämlich der Freiheit, Realität verschafft (obgleich, als praktischem Begriffe, auch nur zum praktischen Gebrauche), also dasjenige, was dort bloß gedacht werden konnte, durch ein Faktum bestätigt; Hierbei erhält nun zugleich die befremdliche, obzwar unstreitige, Behauptung der spekulativen Kritik, daß sogar das denkende Subjekt ihm selbst, in der inneren Anschauung, bloß Erscheinung sei, in der Kritik der
praktischen Vernunft auch ihre volle Bestätigung, so gut, daß man auf sie kommen muß, wenn die erstere diesen Satz auch gar nicht bewiesen hätte.“
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„Die Kritik ist nicht dem dogmatischen Verfahren der Vernunft in ihrem reinen Erkenntnis, als Wissenschaft, entgegengesetzt (denn diese muß jederzeit dogmatisch, d.i. aus sicheren Prinzipien a priori strenge beweisend sein), sondern dem Dogmatismus, d.i. der Anmaßung, mit einer reinen Erkenntnis aus Begriffen (der philosophischen), nach Prinzipien, so wie sie die Vernunft längst im Gebrauche hat, ohne Erkundigung der Art und des Rechts, womit sie dazu gelangt ist, allein fortzukommen. Dogmatismus ist also das dogmatische Verfahren der reinen Vernunft, ohne vorangehende Kritik ihres eigenen Vermögens.
Diese Entgegensetzung soll daher nicht der geschwätzigen Seichtigkeit, unter dem angemaßten Namen der Popularität, oder wohl gar dem Skeptizismus, der mit der ganzen Metaphysik kurzen Prozess macht, das
Wort reden; vielmehr ist die Kritik die notwendige vorläufige Veranstaltung zur Beförderung einer gründlichen Metaphysik als Wissenschaft, die notwendig dogmatisch und nach der strengsten Forderung
systematisch, mithin schulgerecht (nicht populär) ausgeführt werden muß, denn diese Forderung an sie, da sie sich anheischig macht, gänzlich a priori, mithin zu völliger Befriedigung der spekulativen Vernunft ihr Geschäfte auszuführen, ist unnachlaßlich.“
🙂
Vielleicht hilft das jea weiter, rein syntaktisch. Der Inhalt ist noch eine andere Sache, die ich garnicht diskutieren will.
????????????????????…….versteht hier irgendwer was kollege leclair versucht uns mitzuteilen? Hier hat der wahnsinn weder methode noch ziel. Nicht dass uns hier einen zweiten loughner ins haus steht, der hatte es ja auch mit schachtelsätze die keinen sinn ergaben. Da kann man nur froh sein das man hierzulande nicht so leich an waffen kommt. Wer weiß.
Der Trieb als Motor des Streites (jenseits der Kultur)
Ich habe keine ‚Lust‘ an einer ‚Streit-Kultur‘, denn die gibt es nicht: Entweder Kultur oder Streit – noch kann ich einen Fehler erkennen. Denn es ist kein Fehler, etwas nicht zu berücksichtigen, was andere für unbedingt notwendig halten, wenn man selbst diese ‚Notwendigkeit‘ nicht sieht und dafür Gründe hat (oder nicht).
Aber ich sagte ja, dass und warum dies alles ergebnislos bleiben wird: Es ist triebhaftges Gerede. Anders gesagt. Da redet der Trieb, der sich der Sprache eines Tieres bemächtigt hat, das ’sprechen kann‘. In dieser Form habe ich allerdings die ‚Lust‘ berücksichtigt, nur als Nachteil, denn das Lustprinzip ist ja das gerade Gegenteil des Realitätsprinzips, das von einer Vernunft wenigstens angesteuert werden müsste, indem sie sich selbst zu dem verhilft, was sie sein sollte.
Das ist also gemeint, und zwar als Kommentar zu den öffentlichen Äußerungen der ‚offiziellen‘, auf unklare Weise ‚irgendwie‘ autorisierten Leuten, die sich jetzt mit diesem Attentäter befassen und seinen ‚Motiven‘, die ich im Übrigen nicht kenne. Ich kann diese Fendiagnostiker nur ehrfürchtig bewundern, aber ich hätte auch sagen können, dass mir das unheimlich ist, weil Diktaturen und autoritäre Regime stets gern mit ‚psychiatrischen Diagnosen‘ hantieren um unerwünschte ‚Abweichungen‘ zu ‚behandeln‘, und das bereitet mir erhebliches Unbehagen.
Es ist auch ein Fazit, wenn man den Sachverhalt vermisst, um den es gehen soll in einer Replik. Es ändert alllerdings nicht in Übereinstimmung mit der Voraussage. Die Vermutung, dass das derartige normenlose und insofern ungesteuerte ‚Diskussionen‘ ergebnislos bleiben werden, kann sich da nur bestätigt sehen. Das hebephrene Gerede kann zu nichts führen und es ist eine Konsequenz der Tatsache, dass eben die Maßstäbe fehlen und das als Problem gar nicht mehr empfunden wird, nach dem Motto. Was ich nicht weiß, existiert nicht.
Die Überlegung ist war ja, dass die politische Rhetorik selbst nicht die Möglichkeit bietet, den ihr innewohnenden Verfeindungszwang zur Reflexion zu bringen. Das gilt für eine Sprache, die dieses Niveau noch unterbietet und sich einfach ad personam äußert, indem sie den Umweg über eine Thematik bequemlichkeitshalber kurzschliesst, also den Verfeindungszwang unmittelbar ausagiert, noch weit mehr. Und das bestätigt dann wiederum das Fazit, mit oder ohne Lust.
Es ist sinnlos, dann das Echo zu spielen. Man braucht dazu den ‚Partner‘, und der heisst…?
Na?
„Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode…“
🙂
Also ich halte die ganze Debatte für irrelevant.
Tatsache dass Obama mit seiner Rede in Tuscon wie zuvor Reagan nach dem Challenger Unfall und Clinton nach Oklahoma seine Widerwahl 2012 gesichert hat. Und wenn jemand in diesem Forum noch glaubt, dass Palin noch irgendeine ernsthafte Rolle in der amerikanischen Poitik spielen wird (blood libel).
Well, he should have his head examined.
Die Wahl 2012 ist gelaufen, und dass ist auch gut so.
@ a. leclaire
ihre analyse ist fehlerhaft, denn sie berücksichtigt nicht die emotionale ebene: die „lust“ an der „politischen streitkultur“. diese ist dem streitenden ebenso gegeben, wie ihre „lust“ an der analyse politischer rhetorik.
das fazit, das man daraus zieht, ist seit je her marginal.