Massachusetts rechnet mit Obama ab

Brown, links, schlägt Coakley

Brown, links, schlägt Coakley

Genau ein Jahr nach dem Amtsantritt von Barack Obama hat es bei den Senatsnachwahlen in Massachusetts eine historische Niederlage für die Demokraten und insbesondere für das Weiße Haus und den Präsidenten gesetzt. In den Wahlen war der Nachfolger des kürzlich verstorbenen Edward (Teddy) Kennedy zu bestimmen, der diesen Sitz beinahe ein halbes Jahrhundert innehatte. Bei den Präsidentschaftswahlen siegte Obama in dem Neuengland-Staat noch mit 26 % Vorsprung. Massachusetts ist der demokratischste aller demokratischen Staaten. Der Sieg der Republikaner  ist  vergleichbar mit einer absoluten Mehrheit der Grünen bei Landtagswahlen in Bayern unter Führung von Claudia Roth. Diese epische Niederlage der demokratischen Kandidatin Coakley, einer farblosen Bürokratin, gegen den Newcomer Scott Brown gefährdet nicht nur die absurden Pläne einer Gesundheitsreform des Präsidenten. Sie beendet auch die 60-Sitze-Mehrheit der Demokraten im Senat, mit der diese ohne jede Rücksicht auf die Republikaner ihre linke Agenda hätten durchsetzen können. Das Ergebnis trifft Obama auch deswegen besonders empfindlich und persönlich, weil seine für einen Präsidenten ungewöhnlich zahlreichen Wahlkampfauftritte für Coakley, zuletzt am vergangenen Sonntag, die deutliche Niederlage der Demokratin nicht verhindern konnten. Die Schlappe, die verschiedenen Erfolgen der Republikaner bei Wahlen in Virginia und vor allem New Jersey folgt, deutet erhebliche Probleme für die Demokraten für die midterm-elections an, die im Herbst stattfinden. Dort stehen eine große Zahl an Sitzen im Repräsentantenhaus und Senat zur Disposition. Viele altgediente Demokraten (wie zB Senator Dodd, um dessen Ausscheiden es weißgott nicht schade ist) haben bereits angekündigt, dann nicht mehr kandidieren zu wollen. Auch der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, liegt in den Umfragen in seinem Heimatstaat Nevada deutlich zurück.

Die Wahl in Massachusetts war eine Abstimmung über Obama, der seine Wahl als Beginn einer neuen demokratischen Epoche missverstanden hat. Bei seinem Ego und seinem Narzissmus war das nicht weiter überraschend. Die Amerikaner haben in Massachusetts – im demokratischen Herzen Amerikas – überdeutlich gemacht, was sie von Obama, seiner Politik, seiner Gesundheitsreform halten. Brown hat diese Reform zum Kernthema seiner Kampagne gemacht. Die Amerikaner wollen kein ideologisch getriebenes Umkrempeln ihres Landes in einen post-europäischen Wohlfahrtsstaat. Und zwar nicht einmal in Massachusetts. Der Präsident stand zwar nicht auf dem Stimmzettel, aber  er war es, den die Wähler im Kopf hatten.

Das erste Amtsjahr Obamas war ein einziges Fiasko. Sein Popularitätsverlust ist in der jüngeren Geschichte Amerikas beispiellos („In fact, the 9-point drop in the most recent quarter is the largest Gallup has ever measured for an elected president between the second and third quarters of his term, dating back to 1953“). Die Amerikaner erkennen jetzt, wen sie da ins Weiße Haus gewählt haben. Das Scheitern Obamas ist nicht überraschend, es war absehbar. Stets hat er Bedenken gegenüber seiner mangelnden Erfahrung damit gekontert, er könne sich auf sein Urteilsvermögen verlassen. Von den zahllosen aussenpolitischen Patzern einmal ganz abgesehen, wurde Obama von seinem vielgerühmten Urteilsvermögen aber bereits bei einer ganz entscheidenden Frage im Stich gelassen: Er hat den Charakter der Nation Amerika falsch eingeschätzt. Selbst seine entschiedensten Befürworter sind fassungslos:

„Ich bin sehr enttäuscht. Er hat alles falsch gemacht.“

So ist es!

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2010

Anmerkungen zu einigen Kommentaren:

1.    „Die Wahl von Brown hat hier niemanden überrascht.“ Schlicht und einfach unrichtig. Die Umfragen sind erst in den letzten zwei Wochen vor der Wahl massiv gekippt. Vorher lag Coakley mit bis zu 15 % und mehr (je nach Umfrage) vorn und sie hatte sogar eine Woche vor der Wahl noch einen kleinen Vorsprung.

2.    „Wo nehmen sie bitte her, Massachussetts sei der demokratischste aller demokratischen Staaten?!“ Wenn ein Staat knapp 50 Jahre einen demokratischen Senator hat, zuletzt 1972 einen Republikaner in den Senat entsandte und die Demokraten bei den Präsidentschaftswahlen stets, zuletzt mit 26 % Vorsprung ins Ziel gingen, ist das nach meinem Verständnis ein durch und durch blauer Staat und kein Swing-State. Ein Bundesstaat der noch verlässlicher demokratisch wählt, ist schwer zu finden. Minnesota könnte man erwägen, dessen Wähler sich 1984 als einzige  in den gesamten USA nicht für Reagan ausgesprochen haben. Gerade fällt mir ein Zitat aus dem „Wall Street Journal“ vom 19.01.2010 in die Hände, in dem Massachussets als „one of America’s most liberal states“ bezeichnet wird.

3.    Man sollte nicht von vermeintlichen Wissenslücken sprechen, wenn in der Folge keine – dies belegenden – Fakten, sondern lediglich die eigene, durchaus angreifbare Meinung präsentiert wird. Die peinlichen Aussetzer von Coakley sind bekannt, wenn man sich mit dem Wahlkampf beschäftigt hat. Dies ändert nichts an der Entwicklung der Umfragen, siehe Ziffer 1. Und das man auf diese, in Deutschland nur mit langen Erklärungen zu vermittelnden Umstände (zB Coakleys Curt Schilling-Aussetzer) nicht eingeht, ist nahe liegend und für das Thema auch nicht erforderlich.

4.    „Die nationale Gesundheitsreform dürfte eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben.“ Zitat aus Rasmussen Reports, einem der renommiertesten Meinungsforschungsunternehmen in den USA: „As noted, 56% of Massachusetts voters named health care as the most important issue.“ Kein anderes Thema erreichte so hohe Zahlen. Dass die Bewohner von Massachusetts eine ähnliche Versicherung bereits haben und dafür im übrigen die höchsten Prämien im ganzen Lande zahlen, war eine weitere Ursache für das Abstimmungsverhalten. Es gibt ja schließlich exit-polls, denen man das entnehmen kann. Für die geplante nationale Gesundheitsreform wären die Steuerzahler von Massachusetts ergänzend zur Kasse gebeten worden, was gleichfalls nicht sonderlich beliebt war.

5.    „Der Grüner-Sieg-in-Bayern-Vergleich ist hahnebüchen.“ Finde ich nicht. Und ähnlich sieht es auch Josef Joffe von der Stanford University in der „Zeit“ („Massachusetts ist in Amerika so ‚rot‘, wie Bayern in Deutschland immer noch ’schwarz‘ ist“.)

6.    „Obama hat zahllose Wahlkampfauftritte für Coakley absolviert? Wann denn, vom vergangenen Sonntag mal abgesehen?“ Obama hat für Coakley ein Wahlkampfvideo produziert, einen „robocall“ und ist zweimal mit ihr im Wahlkampf aufgetreten. Man mag sich, wenn man besonders empfindsam ist, an dem Begriff  „Wahlkampfauftritt“ stören, wenn es neben den beiden „Auftritten“ auch um andersartige Einsätze im Wahlkampf für Coakley ging.

7.    „Obamas Popularitätsverlust ist beispiellos?“ So ist es. Siehe Gallup. Übrigens bereits im Text verlinkt !

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Kommentare

  1. RuhigBlut

    Und noch eins: Natürlich spielt das (für die Demokraten momentan nicht besonders günstige) nationale Meinungsklima eine Rolle. Aber ich denke dennoch, dass Brown nicht gewonnen hätte, wenn Coakley nicht eine so inkompetente Kandidatin gewesen wäre. Von ihrem unverständlichen Verzicht, die demokratische „Maschine“ in MA rechtzeitig zu mobilisieren (wichtige Demokraten sind von ihren Leuten gar nicht kontaktiert worden) bis zu ihren zahlreichen Gaffes und anderen Instinktlosigkeiten trägt sie auch einen gehörigen Teil von Schuld am Ergebnis – die recht angesehen Webseite http://www.fivethirtyeight.com schätzt, dass ohne diese dummen Patzer das Wahlergebnis der Dems deutlich höher ausgefallen wäre. In Browns Wahl nur eine Watsche für Obama zu sehen ist viel zu simpel gedacht.

  2. RuhigBlut

    @election 2010:

    Wann ist Obama denn noch mit Coakley aufgetreten? Es gab nur am Sonntag vor der Wahl einen gemeinsamen Wahlkampf.

    Zu Obamas Approval-Ratings (die eine frappierende Ähnlichkeit mit Ronald Reagans aufweisen) nur diesen Link:
    http://www.pollster.com/blogs/obama_as_reagan.php

    Und die meisten Bürger in Massachusetts loben ihr neues Gesundheitssystem; Brown hat auch dafür gestimmt und sich auch im Wahlkampf nicht distanziert; sein Argument war vielmehr, dass es finanziell für das Commonwealth von Nachteil sei, wenn andere Staaten nachziehen, da MA dann über eine Art von Finanzausgleich anderen Staaten unter die Arme greifen müsse.

    Aber wer so im Schwarz-Weiß-Denken gefangen ist, dass er von DemocRATS schreibt, dem ist mit Argumenten wahrscheinlich nicht zu helfen…

  3. da reden bzw. schreiben sich wieder einige das fuer die democRATs vernichtende wahlergebnis schoen.

    NATUERLICH ist massachusetts (@ caliban: wenn man seit laengerer zeit dort lebt, sollte man aber langsam wissen, wie man massachusetts schreibt) der demokratischste aller demokratischen staaten – auch wenn es schon republikanische governors gab! dass die wahl von brown niemanden ueberrascht hat ist auch nur ihre persoenliche meinung – bis wenige wochen vor der wahl war der sitz noch sicher demokratisch (gehofft haben natuerlich viele – aber realistisch damit rechnen konnte man erst einige tage vorher).

    brown hat auch nicht gewonnen, weil „coakley eine ueberaus schwache wahlkaempferin“ war (@ exbrook…), sondern weil er ganz klar damit wahlkampf gemacht hat, die filibuster-mehrheit der democRATs zu brechen und der sozialisten agenda des hausbesetzers in washington zu stoppen. unter normalen umstaenden haette coakley das ding im schlaf heimgefahren.

    und an ruhigblut:
    1) natuerlich hat die linke bande um o’bama versucht, obamacare um jeden preis durchzudruecken. mit bestechungen und drohungen! einige democRATs haben eine zeitlang ihren restlichen verstand benutzt (oder auch nur gepokert) und zunaechst mit nein gestimmt, nachdem „dirty harry“ reid hier und da „etwas nachgeholfen“ hat, kamen dann die benoetigten stimmen zusammen.
    2) the unborn hat nicht nur einen wahlkampfauftritt fuer coakley absolviert, sondern zwei und hat in seiner hochnaesigen art beim zweiten auftritt versucht, brown laecherlich zu machen – hat nicht viel geholfen…
    3) richtig, massachusetts hat ein healtcare-system, das dem aehnelt, wie o’bama und seine gang es planen – und es ist gescheitert! es gibt immer noch 200000 nicht versicherten menschen, die beitraege erreichen schwindelerregende hoehen (wenn jemand 31k$ verdient muss er knapp 10k$ an beitraegen abdruecken), die kosten explodieren: sie haben sich fuer den staat von 630mio$ in 2007 auf 1,3billion$ in 2009 verdoppelt, viele patienten koennen sich die „out-of-pocket-expenses“ nicht leisten und fahren behandlungen zurueck. ausserdem habe ich erfahren, dass im staatlichen systen mehr behandlungen abgelehnt werden als von den privaten versicherungen! also: eindeutig der falsche weg! reform ja (da sind sich alle einig – es muss etwas getan werden) aber nicht so!

  4. Caliban

    Lieber Herr Steinhöfel,

    Ich lebe seit längerem in Massachussetts, deshalb: Wo nehmen sie bitte her, Massachussetts sei „der demokratischste aller demokratischen Staaten“?! Das ist einfach erfundenes Zeug. Es gab hier jahrzehnte lang einen republikanischen Gouverneur. Die Wahl von Brown hat hier kaum jemanden überrascht. Der von ihnen geschilderte „epische Niederlage“ hat zumindest hier nicht stattgefunden. Jaja, die USA mal wieder als „Wille und Vorstellung“…

  5. ExBrooklineScientist

    Die Analyse des Autors offenbart erhebliche Wissenlücken, was die politischen Verhältnisse im Nordosten der USA angeht. Auch im sehr demokratisch gesinnten Massachusetts hat es schon in der jüngeren Vergangenheit republikanische Gewinner gegeben. Etwa Bill Weld, der Gouverneur wurde, als die Demokraten einen schwachen Kandidaten aufstellten. Der Grüner-Sieg-in-Bayern-Vergleich ist hahnebüchen. In den USA hat es immer wieder die Tendenz gegeben, schwachen Kandidaten der lokalen Mehrheitspartei die Tür zu weisen. Das ist dort gute Tradition.

    Coakley war eine überaus schwache Wahlkämpferin und stolperte in zahlreiche Fettnäpfchen. So bezeichnete sie in einem Radiointerview den ehemaligen Starspieler Curt Schilling der Boston Red Sox als New York Yankee-Fan. Curt Schilling verhalf den Red Sox nach Dekaden 2004 zum Sieg in der World Series. Mit derartigen Bermerkungen zeigte Coakley, dass sie mehr als nur ein bisschen weltfremd ist. Brown hingegen konnte als moderater Republikaner die Stimmen vieler Unentschlossener gewinnen.

    Die nationale Gesundheitsreform dürfte eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben, da die flächendeckende Krankenversicherung in Mass. mittlerweile sowohl von den meisten Demokraten wie auch Republikanern befürwortet wird. Auch wird diese Wahl nichts an der dauernden Dominanz der Demokraten in Boston und Umgebung ändern.

    Der Sitzverlust stellt jedoch eine empfindliche und zunächst unerwartete Niederlage dar und sollte der demokraitischen Führung in Massachusetts zu denken geben. Nicht jeder Kandidat mit dem richtigen Parteibuch und einer langen und erfolgreichen Karriere als public advocate ist eben auch ein guter Senator.

    Herr Steinhöfel macht das, was viele machen. Ein bisschen Zeitung lesen, ein bisschen fernsehen und dann eben mal schnell einen Kommentar verfassen. Das politische Geschehen auf dem Beacon Hill und Umgebung ist ein bisschen komplexer als sich das Herr Steinhöfel mit seinem rudimentären Wissen vorstellt.

  6. RuhigBlut

    Dieser Post strotzt vor Ungenauigkeiten:

    Die Dems drücken ihre Agenda rücksichtslos durch? Hm, wer das Gezerre um die Gesundheitsreform etwas genauer verfolgt hat, weiß, dass sie eher Angst vor der eigenen Courage haben.

    Obama hat zahllose Wahlkampfauftritte für Coakley absolviert? Wann denn, vom vergangenen Sonntag mal abgesehen?

    Die Bürger von Massachusetts wollen keine progressive Gesundheitsreform? Nun, sie haben schon ein reformiertes Gesundheitswesen (dank Ex-Gouverneur Mitt Romney), das dem fürs ganze Land geplanten nicht unähnlich ist.

    Obamas Popularitätsverlust ist beispiellos? Dann würde ich empfehlen, sich noch mal Reagans absacken in den Zustimmungswerten in den ersten beiden Jahren seiner ersten Amtszeit anzuschauen: Fast deckungsgleich mit Obamas Zahlen.

  7. crackerjack

    …eigentlich schade das obama die reps es ermöglichte die verantwortung für 2 faktisch verlorenen kriege und das größte finanzdesaster der jungeren geschichte abzuwälzen. ich war auch für 4 more rep jahre, am besten mit witzfiguren wie palin, damit die reps die möglichkeit gehabt hätten das land vollends gegen die wand zu fahren.

  8. sozialistischer staatssklave

    was für eine watschen!
    3 jahre ham‘ die amis den noch an der backe. viel spass.

  9. DerEbert

    Ich finde es immer lustig, dass Deutsche Obama als links bezeichen. Denn für deutsche Verhältnise ist Obama rechter als jede Partei die es bei uns gibt.

    Natürlich freue ich mich dass der Republikaner gewonnen hat und wünsche ihm dass er die Wähler in Massachusetts jetzt dazu bringen kann auch in Zukunft GOP zu wählen

  10. diese klatsche war nur der erste streich – es werden im november noch einige mehr folgen. o’bama und seine linke bande wird allerdings aus diesem ergebnis nichts lernen. diese sozialisten-bande mit dem drahtzieher und finanzverbrecher soros im ruecken wird weiter versuchen, das amerika, das wir kennen zu zerstoeren. dieses ziel ist denen wichtiger als die eigene partei, die damit auf jahre hinaus von der regierungsverantwortung “befreit” wird. es werden vielleicht einige congressmitglieder -aus angst um ihren sitz- ihr wahlverhalten aendern, aber ich denke, dass sie den waehler nicht taeuschen koennen, zumal viele grassroot-organisationen das gedaechtnis der waehler sicherheitshalber vor der wahl wieder auffrischen werden. auch ich werde meinen beitrag dazu leisten und als “virtual memory” zur verfuegung stehen!

    das war’s o’bama!

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