High Noon im Weißen Haus

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US-Präsident Obama empfängt heute den israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu im Weißen Haus. Die Vorstellungen der beiden über das weitere Vorgehen an den zahllosen Krisenherden im Nahen und Mittleren Osten könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Verlauf des Treffens sollte außerordentlich wichtige Hinweise über die weitere Entwicklung in der Region geben. Diese wird man allerdings nur im Kleingedruckten finden und vermutlich nicht in den Äußerungen vor der Presse usw. Im Mittelpunkt werden die Fragen nach einem eigenen Staat für die Palästinenser (Obama) und der Umgang mit dem iranischen Atomprogramm (Netanyahu) stehen. Obama möchte mit dem Iran in Verhandlungen eintreten (seiner absurden Behauptung aus dem Wahlkampf folgend, er können den Mullahs die Atombombe ausreden) und sucht zu diesem Zwecke zunächst eine Entspannung der Blöcke aus Iran, Syrien, Hamas und Hezbollah einerseits sowie Ägypten, Saudi-Arabien und den Golfstaaten herbeizuführen. Es ist in den letzten Wochen deutlich geworden, dass die neue US-Administration den Druck auf die Israelis, Zugeständnisse zu machen (Bekenntnis zu Palästinenserstaat, Golan-Höhen, Siedlungen in Judea und Samaria [West-Bank], die Erwähnung des Atomwaffensperrvertrages in Zusammenhang mit dem Nahen Osten), deutlich erhöhen wird. Und die US-Administration scheint tatsächlich zu glauben, dass, wenn Israel in einem beinahe suizidalen Akt die Golan-Höhen zurückgibt, Syrien dies nicht als Schwäche und Ergebnis seiner bisherigen Politik der Anbindung an den Iran bewertet, sondern vielmehr Assad Obama dabei hilft, Iran zur Vernunft zu bringen. Dagegen ist die Annahme, dass Oskar Lafontaine für Steuersenkungen für „Besserverdienende“ eintritt, ein Stück knallharter politischer Realismus.

Netanyahus Hauptanliegen ist der Iran und dessen Streben nach Nuklearwaffen. Er sieht den Iran als das Nazi-Deutschland der Gegenwart, der die Vernichtung seines Volkes betreibt. Er hält Verhandlungen für töricht und sinnlos (die bisherigen Ergebnisse der jahrelangen Bemühungen der EU-3 scheinen für seinen Standpunkt zu sprechen). Netanyahu steht auf dem Standpunkt, dass allein der Besitz einer Atombombe durch den Iran das Ende Israels bedeuten würde (der aus Sicht der Europäer „moderate“ Mullah Rafsanjani nennt Israel „a one bomb country“). Die Terror-Schützlinge der Iraner von Hamas und Hezbollah könnten Israel weiter unter Raketenbeschuß nehmen und stünden dabei unter dem atomaren Schutzschild der Mullahs. Noch bedrohlicher sind die Auswirkungen, die der Besitz der Bombe auf die Moral der Israelis haben könnte. Das „Krebsgeschwür, das vom Antlitz der Erde vertilgt“ werden müsse plus die faktischen Möglichkeiten der Mullahs, dies umzusetzen. Können die Kinder der Holocaust-Überlebenden herumsitzen und solche Risiken eingehen, fragt Eliot Abrams der unter George W. Bush im Nationalen Sicherheitsrat für Nahost-Politik zuständig war, im „Wall Street Journal“. Welche Auswirkungen hätte dies auf die Immigration nach Israel, würde nicht vielmehr ein Exodus aus dem einzigen demokratischen Staat der Region wahrscheinlicher sein ? Es kann als sicher gelten, dass Netanyahu von seinem Standpunkt, der Iran dürfe keinesfalls in den Besitz von Nuklearwaffen gelangen, nicht abrücken wird. Dies umso weniger, als die Konturen von Obamas Nahost-Friedens- und Verhandlungsstrategien noch völlig unklar sind. Bei ihm scheint sich noch nicht einmal die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass nicht der geringste Zusammenhang zwischen einem Palästinenserstaat und dem iranischen Atomprogramm besteht. Die Palästinenser sind den Mullahs völlig gleichgültig. Sie sind aus Sicht Teherans allenfalls als Selbstmordattentäter oder als Terrorerfüllungsgehilfen zu gebrauchen. Im jüngsten Gaza-Konflikt hat Teheran keinen Finger zugunsten der Hamas gerührt. Davon abgesehen: Mit wem sollten die Israelis verhandeln ? Abbas beherrscht mit Mühe die West-Bank, die Hamas den Gaza-Streifen. Beide sind verfeindet. Unterschreibt Abbas eine Einigung, kann er nicht „liefern“.

Es wird spannend sein, zu beobachten, welcher Obama sich heute und in den Folgetagen zeigt. Derjenige, der kurz nach seiner Wahl aber vor Amtsantritt erklärte:

«Wenn jemand Raketen auf mein Haus feuern würde, in dem meine beiden Töchter nachts schlafen, würde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um das zu beenden. Und ich würde erwarten, dass die Israelis das Gleiche tun.»

Oder derjenige Obama, der nach wie vor dem Einfluß der Anti-Semiten unterliegt, mit denen er sich lange Zeit umgeben hat (Reverend Wright, Father Pfleger, Rashid Khalidi).

War das iranische Atomprogramm angeht, steht Obama vor einem Problem, für das er keine, wohl aber die Bush-Administration Verantwortung trägt. Er hat keine Zeit mehr. Es ist faktisch ausgeschlossen, innerhalb des mutmaßlich verfügbaren Zeitrahmens eine verbindliche Aufgabe des Atomprogramms durch den Iran zu erreichen. Spürbare Sanktionen, die nicht ohne die unwahrscheinliche Mitwirkung Chinas und Russlands zu erreichen wären, folgten erst gescheiterten Verhandlungen, die die Iraner meisterhaft in die Länge zu ziehen verstehen (Joschka Fischer und die EU-3 haben sie jahrelang vorgeführt). Statt auf Obamas Avancen einzugehen, verlangt der Iran, der sich bislang kühl zeigt (und weitere Zeit gewinnt), Entschuldigungen für die Verfehlungen der USA.

Obamas Verhandlungen mit dem Iran, falls es überhaupt dazu kommt, werden scheitern.

Der US-Präsident ist nur Zuckerbrot und keine Peitsche und er hat keine Zeit mehr. Dieser sich abzeichnende strategische Fehler könnte katastrophale Folgen haben. Gemessen an den Folgen eines nuklearen Schlagabtausches zwischen Israel und dem Iran sind sämtliche Szenarien einer konventionellen Ausschaltung des Atomprogramms der Mullahs harmlos.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

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