Piraten haben heute laut einem Bericht der New York Times vor der Küste Somalias ein Container-Schiff unter US-Flagge gekapert. Das Schiff war mit Hilsgütern des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen befrachtet und auf dem Weg zum kenianischen Hafen Mombasa. Zur Zeit des Überfalls befanden sich 20 amerikanische Seeleute an Bord. Es ist bereits das sechste kommerzielle Schiff, dass innerhalb der letzten sieben Tage gekapert wurde, aber, soweit bekannt, das erste unter US-Flagge. Der Betreiber, eine amerikanische Tochtergesellschaft des dänischen Schiffartsgigangen A.P. Moller-Maersk, ist einer der Hauptvertragspartner des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Zum Zeitpunkt des Überfalls war das näheste der die Wasserstraße patroullierenden Schiffe etwa 300 Seemeilen entfernt.
UPDATE:
Somalia ist derzeit eindeutig das Zentrum der Piraterie. Andere Regionen sind ebenso gefährdet. Die Straße von Malakka zwischen Sumatra und Malaysia, an ihrer engsten Stelle nur 2.8 km breit, passieren jährlich 70.000 Schiffe. Durch sie gelangen mehr als 50 % der Energielieferungen an China und Japan. In 2008 wurden dort fast 100 Fälle von Piraterie verzeichnet. Der Anreiz für Kriminelle wie Terroristen ist immens. Die Beute ist enorm, die Gefahr, gefasst zu werden, gering. Vor Somalia patroullieren 15 Nato-Schiffe ein Gebiet von der Größe Kasachstans. Die Schnellboote der Piraten sind häufig auf ständig wechselnden Mutterschiffen (unverdächtigen Fischerei- oder Handelsschiffen) versteckt. Koffer voller Geld aus früheren Erpressungsversuchen machen es leicht, eine neues schwimmendes Versteck zu finden. Der schöne Erfolg der indischen Fregatte Tabar, die am 18.11.2008, nachdem sie angegriffen wurde, in einem Akt der Selbstverteidigung das attackierende Piratenschiff versenkte, wird die Ausnahme bleiben.
Die beiden Barbareskenkriege (1801-1805 bzw. 1815, auch Amerikanisch-Tripolitanische Kriege genannt) liefern militärhistorisches Anschauungsmaterial dafür, wie man Piraten besiegt. Die Vereinigten Staaten Thomas Jeffersons wurden wiederholt vom Pascha von Tripolis erpresst, US-Handelsschiffe wurden überfallen, die Mannschaften als Geiseln genommen. Die junge amerikanische Republik unter Jefferson, der 1801 ihr Präsident wurde, begriff schnell, dass das patroullieren des Mittelmeers ineffektiv war. Entscheidend war es, den Piraten die Basis zu nehmen, von der aus sie operierten. Ebenso wichtig erschien es Thomas Jefferson, diejenigen mit ihrer Vernichtung zu bedrohen, die die Piraten unterstützten. Der zweite Barbareskenkrieg endete mit einem endgültigen Sieg der USA und einem Ende der Erpressung durch die Barbareskenstaaten.
An der Küste Somalias liegt die Antwort auf das heutige Piratenproblem. Die Auflösung der staatlichen Strukturen in Somalia begann vor etwa zwei Jahrzehnten, nachdem Clinton den Rückzug der US-Marines befahl („Black Hawk Down“). Erhebliche Teile des Landes werden von den Moslem-Fanatikern der Islamic Courts Union beherrscht. Al Qaida-Kader sind im Land. Es ist nicht plausibel, die Bedrohung der internationalen Schiffahrt durch Piraterie aus Sorge um eine Verschärfung der Situation an Land zu unterlassen. Der Vorschlag der Russen, den Piratenstützpunkt in Eyl anzugreifen, verdient ernsthafte Erwägung. Solange die Risiken für die Piraten minimal und die Erpressungsgelder hoch sind, verstärkt sich der Anreiz für Piraterie. Eine Zunahme der Zwischenfälle ist ohne Eingriff an Land wahrscheinlicher als ein Erfolg durch Patroullieren in einer endlosen Wasserwüste.
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009