Keine Redewendung stellt einen größeren Triumph von Wunschdenken über die Wirklichkeit dar als der Begriff „Friedensprozeß im Nahen [oder Mittleren] Osten“. Es herrscht kein Mangel an anmaßenden und überheblichen Belehrungen der Europäer, die in Brüssel, Paris oder Berlin trocken und sicher in ihren Amtsstuben hocken und von Soft Power und Verhandlungslösungen fabulieren. Jetzt allerdings schickt sich auch der große Magier aus dem Weißen Haus höchstpersönlich an, seine Vorstellungen zu Erlangung des Weltfriedens in die Tat umzusetzen. In Sachen Iran war die Video-Botschaft zum iranischen Neujahrsfest an die iranische Führung und Bevölkerung der erste Schritt von US-Präsident Obama in diese Richtung. In ihr findet man seifige Ergebenheitsadressen an die islamofaschistischen Mullahs. Worte wie „Freiheit“, „Demokratie“ oder „Menschenrechte“ sucht man vergebens, ebenso wie eine Solidaritätsbekundung an das iranische Volk. Das erste bekannte Dokument, das sich mit Menschenrechten befasst, stammt aus dem Persien Kyros II. Menschenrechte, die der heutigen iranischen Bevölkerung vom Regime routinemäßig vorenthalten werden. Teile von Obamas Ansprache lesen sich wie die kodierte Mitteilung, daß sein Ziel nicht der Wechsel des dortigen Regimes sei. Eine törichte Konzession, die das iranische Volk weiter perspektivlos Unterdrückung und Elend ausgeliefert lässt. Obama operiert mit dem Angebot, Iran wieder den ihm gebührenden Platz in der „Völkergemeinschaft“ (ein alberner, absurder Begriff) einnehmen zu lassen. Iran müsse aber Gewalt, Terror usw. abschwören. Der frühere Sozialarbeiter aus Chicago verkennt, daß Iran gerade deshalb zu einem gewichtigen regionalen Akteur geworden ist, weil der Staat Terrorsponsor ist und ein Atomwaffenprogramm betreibt. Iran ist an den Angeboten Obamas nicht interessiert. Der oberste religiöse Führer Khamenei wies Obama in einer feindseligen Reaktion dann auch postwendend an, seine Ansprache übersetzen zu lassen. Aber bitte nicht von Zionisten. Er wittert Obamas Schwäche. Sein Forderungskatalog als Antwort auf Obamas genialen Plan der Annährung: Kein Wort mehr über Irans Terroraktivitäten, Aufhebung der Sanktionen, Freigabe der blockierten iranischen Gelder und Aufgabe jeglicher Unterstützung für Israel. Prost Neujahr !
Obama ist nicht der erste, der sich den Mullahs auf dem Verhandlungswege zu nähern versucht. Seine beiden Vorgänger haben es versucht. Ohne irgendeinen Erfolg für den Westen. Und der Iran gewann Zeit für die Fortführung seines Atomprogrammes.
Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist anzunehmen, daß Iran innerhalb der nächsten zwölfe Monate fähig sein wird, Atomwaffen zu produzieren. Massive weitere Sanktionen könnten einen ansonsten notwendigen militärischen Schlag gegen die Atomanlagen vielleicht gerade noch vermeiden. Obama hat zumindest die bestehenden Sanktionen der Bush-Adminstration verlängert. Genügen wird das aber nicht.
Diejenigen, die unverrückbar daran festhalten, daß Verhandlungen die Lösung aller Probleme sind, scheinen nicht zu begreifen, daß wenn die eine Seite die andere vernichten will, dies keine Angelegenheit ist, die man in freundschaftlicher Atmosphäre am Konferenztisch lösen kann.
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009