Wenn Barack Obama seine von Schlagworten und Platitüden gesättigten Reden vom Telepromter abliest, fällt der geneigte Anhänger in Ohnmacht und die Masse der Medien, vorurteilsbehaftet und ressentimentbeladen, stimmt ein. Wer sich heute einen Blick in Zeitungen oder Fernsehsendungen gönnt, erkennt, daß die hiesige Presse ihrer Aufgabe, sachlich und faktenorientiert zu berichten, nicht mehr gewachsen ist. Obamas beispiellose Aussetzter, sein Opportunismus und seine mangelnde politische Leistung werden völlig ignoriert. Während es in einer für Amerika und den Westen schwierigen Zeit um die Besetzung des wichtigsten und verantwortungsvollsten Amtes der Welt geht, wird in seinem Falle alles ignoriert, was ein Kandidat an Qualifikationen für diesen Job mitbringen muß.
Mit 46 Jahren hat der Kandidat bereits zwei Bücher über sein Lieblingsthema geschrieben: sich selbst. In seinen immerhin drei Jahren im Senat, die ihn ja ungemein für das Präsidentenamt prädestinieren, hat er nicht an einem einzigen relevanten Gesetzgebungsverfahren mitgewirkt. Das er in seiner Zeit in Harvard irgendeinen relevanten juristischen Text verfaßt hätte, ist ebenfalls nicht bekannt geworden. Das dokumentierte Abstimmungsverhalten von Obama im Senat ist das des am weitesten links stehenden Senators. Auffällig, daß der Opportunist bei zahlreichen Abstimmungen nicht dafür oder dagegen sondern mit „present“ gestimmt hat. Dies lässt ihm später die Möglichkeit offen, sein Mäntelchen nach dem Winde zu hängen. Mit abgehalfterten Rezepten aus den 70ern, die an die Grundlagen erinnern, mit denen der europäische Sozialismus gescheitert ist, hat er auf sich aufmerksam gemacht. Steuererhöhungen, staatliche Bevormungung, Umverteilung. Charakter- und Prinzipienlos, das selbst ein Bill Clinton Applaus spenden müßte, hat er seine Positionen bei Wahlkampffinanzierung, Abhörgesetzen, Trennung von Staat und Kirche (wo er George W. Bush überholt hat), Irakkrieg, Todesstrafe selbst bei Vergewaltigungen und Waffenbesitz so schnell der Windrichtung angepaßt, daß dem Beobachter der Atem stockt.
Seine dilettantischen außenpolitischen Ansätze hätten den mittleren Osten, wäre er Präsident, in die Katastrophe geführt. Er, der selbsternannte Militärfachmann, hielt anmaßende Reden darüber, daß die „surge“ – die Truppenaufstockung, verbunden mit der neuen Strategie von General Petraeus – im Irak scheitern, ja sogar das Gegenteil bewirken würde. Schneller Abzug und Kapitualtion vor den Terroristen war sein Rat. Die „surge“ hatte Erfolg, daß Gegenteil von des Erlösers Prognose trat ein. Hätte er das Sagen gehabt, wäre Völkermord die Folge gewesen, ein gescheiterter Irak, von Al Qaida beherrscht. Allein diese krasse Fehleinschätzung belegt, daß Obama keine politisch verantwortungsvolle Position besetzen darf. Im übrigen hat er schon im Juli 2007 zu erkennen gegeben, daß Völkermord für ihn kein Grund für militärische Maßnahmen sei: Man könne ja nicht überall einmarschieren. Wie reagiert man, wenn man diese Einlassung kennt, auf seine Äußerung vom 23-07-2008 in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem („Let our children come here and know this history so they can add their voices to proclaim ‘never again.’ And may we remember those who perished, not only as victims but also as individuals who hoped and loved and dreamed like us and who have become symbols of the human spirit”).
Verachtung ware eine Möglichkeit. Obama beruft sich stets, aufgrund seines offenkundigen Mangels an Erfahrung oder politischer Lebensleistung, auf sein Urteilsvermögen. Ein grandioseres Scheitern als in der Irak-Frage ist kaum vorstellbar. Das er bereit war, seine eigene weiße Großmutter als Rassistin zu denunzieren, um seinen Haßprediger Wright zu decken (auf dessen Kirchenbank er 20 Jahre saß, der ihn getraut und seine Kinder getauft hat), zeigt einen Zyniker, der willens ist, alles zu tun und alles zu sagen, um an die Macht zu kommen. Wenn McCain sagt, er würde lieber eine Wahl verlieren, als einen Krieg (und dies in den kritischten Phasen des Irak-Kriegs auch bewiesen hat, als er gegen das Weiße Haus, Rumsfeld und die eigene Partei als Erster die „surge“ propagierte), gilt für Obama, daß er es in Kauf nimmt, einen Krieg zu verlieren, solange er nur das angestrebte Amt erreicht. Wer seine populistischen Reden hört, kann sich das Kichern vor lauter heißer Luft nicht mehr verkneifen. Seinen Sieg bei den Vorwahlen nannte er – wörtlich – einen historischen Moment, in dem die Ozeane ihren Anstieg stoppten und der Planet zu heilen begann. Der große amerikanische Kolumnist Charles Krauthammer erinnerte in der „Washington Post“ daran, daß selbst Jesus seine Heilkräfte nur an den Kranken erprobte.
Obama operiert in einer anderen Sphäre.
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2008